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Mit einer Fläche von eineinhalb bis zwei Quadratmetern ist die Haut das größte und gleichzeitig schwerste Organ des Menschen. Sie setzt sich zusammen aus drei Schichten: Ober-, Leder- und Unterhaut. Die Haut schützt uns vor Krankheitserregern, Giftstoffen und UV-Strahlung. Sie ist auch Sinnesorgan und an Stoffwechsel-, Speicher- und Regulationsprozessen beteiligt.
Ist die Haut verletzt, aktiviert sie ihre Selbstheilungskräfte. Kleinere und nicht zu tiefe Wunden regenerieren sich bereits nach wenigen Tagen oder Wochen, ohne dass die Medizin nachhelfen muss. Bei großflächigen und tiefen Verletzungen, wie starken Verbrennungen, sieht das anders aus: Die Selbstheilungskräfte der Haut stoßen an ihre Grenzen und die Patientinnen und Patienten müssen sich unter Umständen sogar einer Hauttransplantation unterziehen. Dabei kommen vor allem zwei Methoden zum Einsatz: die Spalt- und die Vollhauttransplantation. Bei der Spalthauttransplantation besteht das Transplantat aus der oberen Hautschicht. Das Verfahren ist vor allem für oberflächliche Wunden geeignet. Ein Vollhauttransplantat umfasst alle drei Hautschichten – ideal, um tiefe Wunden zu schließen.
SkinDot® ist ein Verfahren, das die Möglichkeiten der Vollhauttransplantation mit einem völlig neuen therapeutischen Ansatz erweitert. Entwickelt wurde die innovative Methode in Schleswig-Holstein. „Die Idee entstand, als sich meine damals vierjährige Tochter am Kamin die Handfläche verbrannte“, erzählt Priv.-Doz. Dr. med. Christian Ottomann, Facharzt für plastische, ästhetische und rekonstruktive Chirurgie und einer der drei Gründer von SkinDot®. Ihm kam nach dem Unfall ein Artikel von John Staige Davis aus dem Jahr 1910 in den Sinn: Der US-amerikanische Chirurg beschrieb darin seinen Ansatz, großflächige Wunden durch die Transplantation kleinster Hautinseln zu schließen. „Davis hatte zu seiner Zeit noch nicht die technischen Möglichkeiten, die dafür notwendigen Geräte zu entwickeln. Heute gibt es diese Möglichkeiten, und so haben meine Partner und ich die Gedanken von Davis übernommen und weiterentwickelt“, sagt Ottomann.
Wir konnten immer wieder auf die Expertise unterschiedlicher Fachleute zugreifen. Das hat unser Projekt enorm vorangebracht
Die Arbeit an SkinDot® begann 2011 an der Universität zu Lübeck in Kooperation mit dem Unfallkrankenhaus Berlin und der damaligen Fachhochschule Lübeck. Unterstützt wurde das Projekt unter anderem vom Wissenschaftscampus BioMedTec, dem GründerCube und der UniTransferKlinik, alle in Lübeck angesiedelt. Gemeinsam mit seinen Partnern, Dipl.-Ing. Karsten Gatz und dem Softwareexperten Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Gerhard Buntrock, wollte Ottomann ein Transplantationsverfahren entwickeln, das tiefe Wunden schnell und zuverlässig verschließt. Zusätzlich sollte die transplantierte Haut wieder ihre normale Funktion erfüllen können und kosmetisch schön verheilen. Die Basis für das Projekt bildeten die mehr als 100 Jahre alten Gedanken von John Staige Davis.
Während der Entwicklungsarbeit nutzten die drei Gründer ihre Kontakte zur Hochschullandschaft in Schleswig-Holstein. „Wir konnten immer wieder auf die Expertise unterschiedlicher Fachleute zugreifen. Das hat unser Projekt enorm vorangebracht“, sagt Ottomann. 2014 wurde SkinDot® ausgegründet, wenige Jahre später erfolgte der Durchbruch: Die Wirksamkeit und die Sicherheit von SkinDot® wurde im Rahmen einer klinischen Studie bestätigt. Seit 2018 steht das Transplantationsverfahren zur Verfügung, angeboten wird SkinDot® in Berlin und Hamburg. Auch Patient:innen aus dem Ausland sind bereits auf das Unternehmen zugekommen, erzählt Ottomann.
Mit SkinDot® haben wir – anders als bei den etablierten Transplantationsverfahren – ein unbegrenztes Spenderareal.
Wozu braucht es ein neues Transplantationsverfahren, wenn die gängigen Methoden funktionieren? „Man kann tiefe Wunden auch mit der herkömmlichen Vollhauttransplantation schließen. Allerdings entstehen dabei größere Hautwunden im Spenderareal, die vernäht werden müssen und unschöne Vernarbungen hinterlassen“, erklärt Ottomann. „Dieses Hautareal lässt sich nicht erneut für eine Spende nutzen. Dadurch sind gerade einmal zwei bis drei Prozent der Körperoberfläche bei der klassischen Methode transplantierbar.“
Mit SkinDot® hingegen werden in einem geeigneten Spenderareal unzählige ein bis drei Millimeter kleine Hautinseln ausgestanzt. Dabei kommt ein von SkinDot® entwickeltes Stanzgerät zum Einsatz, mit dem sich mehrere Hautinseln auf einmal händisch entnehmen lassen. Die minimalen Verletzungen, die dabei im Spenderareal entstehen, sind kaum sichtbar und heilen in der Regel komplikationslos und schnell ab. Die entnommenen Hautinseln werden im Anschluss in eine aus Kollagen bestehende Trägerschicht eingebettet und mit ihrer Hilfe in das Empfängerareal eingesetzt. Sowohl die Entnahme als auch das Aufbringen des Hauttransplantats kann innerhalb einer einzigen Operation durchgeführt werden, ein weiterer Vorteil dieser Methode. Die Transplantate wachsen mit der Zeit ein und übernehmen klassische Hautfunktionen wie das Spüren von Berührungen, Schmerzen oder Temperaturen. An der Oberfläche bildet sich eine glatte Hautschicht. „Mit SkinDot® haben wir – anders als bei den etablierten Transplantationsverfahren – ein unbegrenztes Spenderareal: Die entnommenen Hautinseln sind so klein, dass sich das Areal davon schnell wieder erholt“, sagt SkinDot®-Mitbegründer Buntrock. Damit lassen sich erstmals in der Geschichte auch großflächige Vollhauttransplantationen vornehmen.
Die drei Gründer kümmern sich nebenberuflich um ihr Unternehmen. Zu tun gibt es reichlich. Aktuell verhandeln sie mit einer großen Krankenversicherung. Das Ziel: darauf hinwirken, dass eine Operation mit SkinDot® zukünftig von der Krankenkasse und nicht mehr von den Patientinnen und Patienten selbst bezahlt wird. Außerdem arbeiten Ottomann, Buntrock und Gatz daran, ihr Verfahren weiterzuentwickeln und zu optimieren: „So kleine Hautinseln zu transplantieren ist nicht trivial. Entsprechend herausfordernd war die technische Realisierung und Miniaturisierung des SkinDot®-Geräts, mit dem die Hautinseln ausgestanzt und eingesetzt werden“, erzählt Gatz, der als Design-Ingenieur mit der Entwicklung komplexer Prototypen vertraut ist. Nun geht es darum, den nächsten Schritt zu tun und das elektromechanische Stanzgerät auch in Serie zu produzieren. Dafür steht das Unternehmen mit einem Berliner Produzenten für Tätowiertechnik in Kontakt. Das Interesse an einer Zusammenarbeit sei, so Gatz, auf beiden Seiten groß.
So kleine Hautinseln zu transplantieren ist nicht trivial. Entsprechend herausfordernd war die technische Realisierung und Miniaturisierung des SkinDot®-Geräts.
Darüber hinaus entwickeln die Gründer derzeit einen Roboter, der die Hautinseln bei großen Wunden vollautomatisiert transplantieren soll. Den Roboterarm samt Bewegungsabläufen gibt es bereits. Es fehlt noch die spezifische Programmierung, damit der Roboter sicher im Operationssaal zum Einsatz kommen kann. „Der Roboterarm muss sofort stillstehen, wenn er während der Operation mit Chirurg:innen oder OP-Assistent:innen in Berührung kommt. Nur so kann er sicher im Operationssaal eingesetzt werden“, erklärt Buntrock, hauptberuflich Hochschuldozent am Institut für Softwaretechnik und Programmiersprachen an der Universität zu Lübeck. Zwei weitere wichtige Aufgaben für die drei Unternehmensgründer: die Sichtbarkeit von SkinDot® weiter erhöhen – und Investoren finden. „Wir sind absolut überzeugt von unserem Projekt und tun alles dafür, SkinDot® voranzutreiben“, sagt Ottomann. „Allerdings fehlt uns mitunter die Zeit. Ein Investor könnte uns hier völlig neue Möglichkeiten eröffnen.“