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Cookie Einstellungen ÖffnenMit ihren vielen Windkraft- und Photovoltaikanlagen, den zahlreichen Unternehmen, Initiativen und innovativen Projekten rund um die erneuerbaren Energien und dem Netzwerk „Energieküste“, in dem sämtliche Akteure der Region ihre Kompetenzen bündeln, ist die Westküste Schleswig-Holsteins Vorreiter für die Energiewende in Deutschland. Großvorhaben wie das LNG-Terminal für Flüssiggas sowie das Ammoniak-Terminal in Brunsbüttel oder auch die geplante Giga-Batteriezellenfabrik bei Heide werden der Region weiter Auftrieb geben. Hier hat sich mit H2 Core Systems im Oktober 2020 in der Gemeinde Heide ein Unternehmen angesiedelt, das die Energiewende mit vorantreibt und dabei auf Wasserstoff (H2) setzt.
H2 Core Systems ist ein Spin-off der TC-Hydraulik Gruppe aus Heide, einem Unternehmen für hochwertige Fluid-Systeme mit dem Fokus auf fluidtechnischen Maschinen- und Anlagenbau, sowie den industriellen Service mit den Schwerpunkten Hydraulik und unterschiedliche Gase. Bevor die Tochterfirma H2 Core Systems von Elektroingenieur Ulf Jörgensen gegründet wurde, war er selbst 13 Jahre lang bei der TC-Hydraulik tätig. „Die Idee zur Nutzung der Fluid-Systeme für Wasserstoff bestand bereits während meiner Tätigkeit bei TC-Hydraulik, aber erst 2020 hat es sich ergeben, diese Idee tatsächlich umzusetzen“, sagt er im Gespräch. Das Jungunternehmen ist auf die Herstellung von Elektrolyseuren, auch HydroCaps genannt, spezialisiert, die aus Strom und Wasser Sauer- und Wasserstoff generieren.
Die Idee zur Nutzung der Fluid-Systeme für Wasserstoff bestand bereits während meiner Tätigkeit bei TC-Hydraulik, aber erst 2020 hat es sich ergeben, diese Idee tatsächlich umzusetzen.
Von außen betrachtet ist der Elektrolyseur ein weißer Kastenschrank, der zunächst unspektakulär wirkt. Das ändert sich mit Blick auf das Innenleben: Hier befinden sich mehrere kastenförmige Einheiten mit Schaltern, Kabeln und Griffen. Zieht man die Kästen vorsichtig heraus, offenbaren sie ihr komplexes, elektronisches Inneres. Bis zu fünf dieser Einheiten passen in einen Schrank, eine Einheit reicht für die Versorgung eines Einfamilienhauses aus. So könnten mit einem Elektrolyseur bis zu fünf Einfamilienhäuser versorgt werden.
Um Wasserstoff zu produzieren, spaltet die Anlage Wasser mittels eines elektrochemischen Prozesses in Sauer- und Wasserstoff. Der Wasserstoff ist zur Energieversorgung von beispielsweise Häusern oder Generatoren nutzbar, während der Sauerstoff in die Umgebung abgegeben wird. Überschüssigen Wasserstoff speichert der Elektrolyseur und setzt ihn zum gewünschten Zeitpunkt frei. Durch den Spaltungsprozess entsteht Abwärme, die sich zusätzlich zur Beheizung von Gebäuden nutzen lässt.
Stoßen viele Unternehmer:innen bereits bei der Firmengründung auf erste Herausforderungen, verlief die Gründung von H2 Core Systems als Spin-off eines größeren Unternehmens reibungslos, da von Beginn an qualifizierte Mitarbeiter:innen zur Verfügung standen. Dennoch lief nicht alles nach Wunsch, denn die Corona-Pandemie führte zu Lieferengpässen. Teilweise wartete das Unternehmen bis zu neun Monate auf benötigte Bauteile, die sonst innerhalb von wenigen Wochen zur Verfügung stehen.
Eine zusätzliche Herausforderung sind die Vorurteile gegenüber Wasserstoff. Der „Knalleffekt“ im Chemieunterricht oder der Unfall des deutschen Luftschiffes Hindenburg, das 1937 über New York in Flammen aufging, haben Wasserstoff als bedrohlich in den Köpfen festgesetzt. „Dabei ist H2 nicht gefährlicher als Erdgas“, sagt Jörgensen. „Hält man sich an geltende Sicherheitsbestimmungen, ist auch Wasserstoff ungefährlich.“
Weitere Vorurteile, die sich hartnäckig halten:
„Wasserstoff ist teuer.“
Es stimmt, dass die Kosten momentan noch relativ hoch sind, das soll sich in naher Zukunft jedoch ändern. Die Kosten lassen sich u. a. senken, indem vermehrt in Photovoltaik- oder Windkraftanlagen investiert wird, von denen die Elektrolyseure den Strom beziehen können. Je mehr Anlagen, desto günstiger wird der grüne Strom, was sich wiederum preissenkend auf die Produktion von grünem Wasserstoff auswirkt.
„Wasserstoff ist umweltschädlich.“
Hier kommt es auf die Gewinnung des H2 an. „Wird der Wasserstoff aus Erdöl oder Kohle gewonnen, ist dieser in der Tat umweltschädlich“, sagt Jörgensen. Wasserstoff aus erneuerbaren Energien ist hingegen umweltfreundlich.
„Die Infrastruktur fehlt.“
Natürlich muss die Infrastruktur ausgebaut werden, um den Wasserstoff an die gewünschten Ziele zu leiten, zusätzlich lassen sich auch die bereits bestehenden Erdgas-Netze nutzen.
Viele der Vorurteile sind haltlos. Um sie allerdings ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen und damit den Weg für grünen Wasserstoff freizumachen, braucht es Aufklärung. Grüner Wasserstoff spielt eine wesentliche Rolle, wenn es darum geht, den Klimawandel aufzuhalten, denn er lässt sich beispielsweise auch als Kraftstoff für Fahrzeuge einsetzen. Ein weiterer Vorteil: Wasserstoff lässt sich sowohl in Strom als auch in Wärme umwandeln, wodurch sich Schwankungen im Stromnetz ausgleichen lassen.
H2 ist nicht gefährlicher als Erdgas. Hält man sich an geltende Sicherheitsbestimmungen, ist auch Wasserstoff ungefährlich.
H2 Core Systems setzt auf das sogenannte Plug-and-Play-System, das dem Unternehmen einen echten Wettbewerbsvorteil verschafft. Anders als viele Geräte der Konkurrenz müssen die Elektrolyseure aus Heide lediglich aufgestellt und angeschlossen werden. „In der Regel haben Wasserstoffsysteme eine recht lange Herstellungszeit und müssen zusätzlich aufwendig installiert werden. Wir verfolgen einen anderen Ansatz und stellen in einer großen Stückzahl viel kleiner skalierte Systeme her. Dadurch verkürzt sich die Herstellungs- und Lieferungszeit und die Systeme lassen sich innerhalb weniger Stunden in Betrieb nehmen“, sagt Jörgensen.
Die Elektrolyseure können individuell an den benötigten Energieverbrauch und den Einsatzort angepasst werden. Das Jungunternehmen kann neben Eigenheimbesitzern auch Universitäten und ganze Dörfer beliefern. Mitten im Urwald von Malaysia, nahe der Stadt Tapah, steht eine Anlage, die eine ganze Gemeinde mit Energie aus Wasserstoff versorgt. Damit die Elektrolyseure den dortigen extremen Umweltbedingungen standhalten, sind sie mit Klimaanlagen und speziellen Isolierungen gegen die dort sehr hohen Temperaturen und die hohe Luftfeuchtigkeit ausgestattet. Beim Einsatz in kalten Umgebungen hingegen helfen Heizungen, damit das Wasser nicht gefriert.
Das Unternehmen vertreibt seine Systeme weltweit. Dass H2 Core Systems globale Märkte bedienen kann, liegt auch an der Partnerschaft mit Enapter, einem Hersteller von Wasserstoffgeneratoren aus Heidelberg mit Sitz in Berlin und Produktion derzeit in Pisa, der über ein starkes Netzwerk aus internationalen Kontakten verfügt. „Gerade Korea oder Afrika sind dank der vielen Sonnenstunden interessante Märkte und für unsere Produkte mit autarker Energieversorgung perfekt geeignet, denn so lassen sich die Elektrolyseure bestens mit grüner Energie betreiben“, so Jörgensen. Beide Unternehmen verbindet das Ziel, fossile Brennstoffe durch grünen Wasserstoff zu ersetzen.
Die Unternehmen kamen durch die Entwicklungsagentur Region Heide in Kontakt: „Die Zusammenarbeit bewirkte direkt positive Synergien. Wir passen sehr gut zusammen, arbeiten auf Augenhöhe miteinander und tauschen regelmäßig Ideen aus,“ sagt Jörgensen. Enapter war auf der Suche nach einem geeigneten Produktionsstandort für die automatisierte Herstellung seiner Elektrolysestacks und wollte sich in Zukunft auf diesen Bereich konzentrieren. Da bot es sich an, dass H2 Core Systems die Produktion der fertigen Anlagen und Systeme übernimmt. Während Enapter die Expertise zur Fertigung der Elektrolyseur-Module besitzt, ist H2 Core Systems dafür verantwortlich, aus den Einzelteilen eine komplette Anlage zu fertigen.
Die Westküste Schleswig-Holsteins ist europaweit als Hochburg für erneuerbare Energien und Wasserstoff bekannt und damit der perfekte Standort für H2 Core Systems. Ulf Jörgensen schätzt vor allem den Zusammenhalt: „In der Wasserstoffbranche ist der Spirit, gemeinsam etwas bewegen zu wollen, sehr wichtig. Neben der vielfältigen Unternehmenslandschaft im Bereich der erneuerbaren Energien hier bei uns an der ‚Energieküste‘ ermöglichen auch die unterschiedlichen Förderangebote des Landes die unkomplizierte Ansiedelung junger Unternehmen.“ So konnte H2 Core Systems bereits von der Messe-Förderung der Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein (WTSH) profitieren. Die WTSH ist unter anderem Ansprechpartner für Unternehmen in den Bereichen Standortberatung, Innovationsberatung oder -förderung.
Mehr Unterstützung wünscht sich Jörgensen vonseiten der Politik bei der Vereinfachung der Zulassung von Wasserstoffprojekten. Eine restriktive Regulation führe zu langwierigen Verfahren bei der Umsetzung solcher Projekte. Wichtig ist ihm zudem, dass kleinere und mittelständische Unternehmen noch mehr Gehör finden, denn sie sind die Innovationstreiber auf diesem Gebiet. „Dennoch hat Schleswig-Holstein im Bereich der erneuerbaren Energien definitiv eine Vorreiterrolle eingenommen.“
Im Dezember 2020 haben sich die Wirtschaftsförderungsgesellschaften der fünf norddeutschen Bundesländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zur grünen Wasserstoffinitiative HY-5 zusammengeschlossen. Ziel: international für Neuansiedlungen zu werben und Norddeutschland zur stärksten Region für grünen Wasserstoff in Europa zu etablieren. Um die Ansiedlung zu erleichtern, stellt HY-5 u. a. Berater:innen bereit, die interessierten Unternehmen unterstützend zur Seite stehen.
Bereits im November 2019 ist durch die norddeutschen Küstenländer die Norddeutsche Wasserstoffstrategie veröffentlicht worden. Im Rahmen der Strategie wurde vereinbart, bis zum Jahr 2035 eine grüne Wasserstoffwirtschaft aufzubauen, die eine nahezu vollständige Versorgung aller an grünem Wasserstoff interessierten Abnehmer:innen ermöglicht. Mehr unter norddeutschewasserstoffstrategie.de