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Cookie Einstellungen ÖffnenEnge-Sande gehört zu den nordfriesischen Dörfern, die bundesweit wahrscheinlich durch den Weg in den Inselurlaub bekannt sind. Dabei ist die kleine Gemeinde bei Niebüll eine einzigartige Attraktion: Der dortige „GreenTEC Campus“ ist eine Art Erlebnispark für nachhaltige Zukunftstechnologien und grüner Gewerbepark für Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien. Treiber der Idee war der nordfriesische Windkraft-Unternehmer Marten Jensen, der den ehemaligen Marinestützpunkt im Jahr 2011 kaufte.
Auf dem 130 Hektar großen Areal, auf dem bis heute 34 Bunker stehen, etablierte sich zunächst ein Trainingszentrum für den Bau und die Wartung der Offshore-Windparks in der Nordsee. Schon bald zog es weitere Unternehmen vom Start-up bis zum Mittelständler auf den neu entstandenen Gewerbe-Campus. „Und als besonderes Highlight werden Padel-Trainings auf Bundesliga-Niveau angeboten“, ergänzt Marten Jensen, der selbst begeisterter Anhänger dieses jungen Tennissports ist. Denn der GreenTEC Campus ist Zukunftsort und sorgsam gepflegtes Naturparadies zugleich.
Technisch ist das nicht sehr aufwändig. Die Antriebsachse wird durch ein elektrisches Antriebsmodul ersetzt, der Motor durch Batteriepacks.
Heute werden auf dem Campus mit Abwärme eines Grünen Rechenzentrums (WindCloud) Spirulina-Algen für Pharma- und Kosmetik-Kunden gezüchtet, vollautonome Kleinbusse aus Leitwarten überwacht und und Elektrofahrzeuge konstruiert. Gemeinsam mit Andreas Pfeffer, Geschäftsführer der 2018 gegründeten „I SEE Electric Busses“, und dem Flensburger ÖPNV-Unternehmen „Autokraft“ sorgt Marten Jensen jetzt für die nächste kleine Sensation: „PilUDE“ heißt das „Pilotprojekt zur Umrüstung von Dieselbussen auf Elektroantrieb“, und daraus könnte eine grüne Welle für den Öffentlichen Personennahverkehr werden. Denn statt konventionelle dieselgetriebene Busse am Ende ihrer Dienstzeit ins Ausland weiterzuverkaufen, können sie in Enge-Sande zu E-Mobilen umgebaut werden. „Technisch ist das nicht sehr aufwändig. Die Antriebsachse wird durch ein elektrisches Antriebsmodul ersetzt, der Motor durch Batteriepacks“, erklärt Andreas Pfeffer. Rund 200 Kilometer Reichweite hat der zwölf Meter lange Prototyp der Baureihe MAN Lions City, der zudem mit einer Bioethanol-Standheizung ausgestattet ist.
Diesel raus, Elektrik rein – ganz so einfach war es aber nicht für Andreas Pfeffers Ingenieur:innen. Denn mit einem neuen Antrieb kommen neue Fahreigenschaften, und auch hier bietet der GreenTEC Campus einen entscheidenden Standortvorteil. „Wir haben hier 17 Kilometer private Teststrecke zur Verfügung und können Fahrzeuge ausgiebig auf Herz und Nieren prüfen – bis hin zum Elchtest“, sagt Marten Jensen, der von einer großen Zukunft der E-Mobilität überzeugt ist. Wo zu den Besuchszeiten Gäste Fahrtrainings mit E-Fahrzeugen absolvieren und sich mit den Besonderheiten des elektrischen Antriebs vertraut machen können, drehte auch der umgerüstete Bus seine ersten Schleifen. Unbeobachtet von der Öffentlichkeit bestand er jede der unzähligen Testrunden und bekam schließlich die Bestätigung seiner Straßenverkehrstauglichkeit: die Zulassung durch das Flensburger Kraftfahrt-Bundesamt. Die Kosten für den Umbau belaufen sich auf rund 350.000 Euro. „Das ist gerade die Hälfte vom Neupreis eines E-Busses,“ sagt Marten Jensen. Der „ausgedieselte“ Bus ist damit ein ressourcenschonendes, sauberes und schnelles Angebot für Verkehrsbetriebe, die bei einem Neuerwerb bisweilen mehrjährige Wartezeiten für E-Modelle in Kauf nehmen müssen.
Wir haben hier 17 Kilometer private Teststrecke zur Verfügung und können Fahrzeuge ausgiebig auf Herz und Nieren prüfen – bis hin zum Elchtest.
Leise, gleichmäßig schnurrend und mit erstaunlicher Zugkraft beim Anfahren leistet der Bus bereits heute treue Dienste im Linienverkehr in Schleswig-Holstein. Mindestens 70 Kilometer Strecke legt er pro Tag zurück, gelenkt vom „Mann der ersten Elektro-Stunde“ Ralf Diederichsen: „Jede Fahrt mit dem Bus ist ein Genuss“, schwärmt er in seinem Cockpit, dessen Armaturenbrett bis auf einen Extramonitor mit Detailinformationen zu Ladestand und Stromverbrauch dem eines herkömmlichen Busses gleicht. In nur zwei bis vier Stunden sind die Batterien wieder aufladbar und bieten noch einen weiteren, sicherheitsrelevanten Vorteil: Im Fall eines lokalen oder regionalen Blackouts können sie ihren Strom ausspeisen und damit Notstromaggregate, etwa für Krankenhäuser, unterstützen.
Seit Juni 2020 steht eine moderne Montagehalle für weitere Umrüstungen auf dem GreenTEC Campus. Gerade ist darin ein dreiachsiger Gelenkbus aufgebockt und wartet auf den neuen E-Antrieb. Ziel ist es, die technische Prozedur inklusive Fahrer*innentraining auf eine Woche zu verkürzen. Das schafft lokale Arbeitsplätze und zudem die Option, die „Ausdieselung“ auch andernorts anzubieten. „Das wird nach dem Baukasten-Prinzip funktionieren“, prognostiziert Marten Jensen, „wir stellen die Komponenten zusammen und verschicken sie in Form eines Umrüstungs-Kits, bei Bedarf auch in Begleitung der entsprechenden Fachleute. Der Bus kann dann umgebaut werden, wo immer es gewünscht ist.“ Zehn einfache und drei Gelenkbusse stehen schon in den Auftragsbüchern. Nicht erst, seitdem das Land Schleswig-Holstein das Unternehmen unterstützt, nehmen die Anfragen stark zu. Denn auch die Unterhaltskosten sind günstig. Jensen beschreibt es plastisch: „Mit dem Strom aus einer einzigen Windrad-Umdrehung fahren unsere Busse ganze zehn Kilometer.“ Und das findet Anklang in ganz Deutschland.