"Die Konstellation des Know-Hows zusammen mit den technischen Voraussetzungen hat dazu geführt, dass BioNTech gesagt hat: Ihr seid der richtige Partner für uns."

Bernd Buchholz im Gespräch mit Dr. Christoph Willers

Dr. Christoph Willers ist Geschäftsführer von Allergopharma. Das Unternehmen geht nicht nur gegen Allergien, sondern auch gegen das Corona-Virus vor. Mit Wirtschaftsminister Bernd Buchholz spricht er über Hyposensibilisierung bei Allergien, Milbenfarmen und wie das Unternehmen zu einem der größten BioNTech-Produzenten Deutschlands werden konnte.

 

 

 


 

 

Bernd Buchholz: Moin aus Kiel und herzlich Willkommen zu einer neuen Folge meines Podcasts „Echte Chancen“. Mein Name ist Bernd Buchholz, ich bin Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, und in diesem Podcast begrüße ich Menschen aus dem echten Norden, die nicht so unbedingt sofort mit Schleswig-Holstein identifiziert oder assoziiert werden. Menschen, die etwas Besonderes machen, die besondere Herausforderungen, Chancen ergriffen haben oder die in besonderen Branchen unterwegs sind – jedenfalls Menschen, die man nicht unbedingt in Schleswig-Holstein vielleicht vermutet hätte. Obwohl: Es sind so viele inzwischen in so vielen Folgen, dass man damit zeigt, wie vielfältig dieses Land ist. Heute ist bei mir Dr. Christoph Willers und Dr. Christoph Willers ist der Geschäftsführer der Allergopharma. Guten Tag, Herr Willers.

Dr. Christoph Willers: Guten Tag Herr Buchholz, vielen Dank für die Einladung herzukommen.

Allergopharma, da müssen Sie was darüber erzählen. Was ist das für eine Firma? Wann ist sie entstanden und was macht sie vom Grundsatz her?

Allergopharma ist älter als 50 Jahre inzwischen, ist in Reinbek angesiedelt. Wir produzieren, wir entwickeln in Reinbek Therapeutika zur Behandlung von Allergien, und zwar von sogenannten Typ I Allergien: allergischem Asthma, allergischer Rhinitis oder Heuschnupfen. Das sind also Allergien gegen Substanzen aus der Umwelt: Pollen, Baumpollen, Birkenpollen, Gräserpollen, Nahrungsmittel, Insektengifte – also Substanzen, die eigentlich gar nicht gefährlich sind für uns, sondern die durch eine überschießende Aktion des Immunsystems dazu führen, dass wir entzündliche Vorgänge im Nasen-Rachen-Raum, an den Augen und an der Lunge bekommen.

Jeder, der Heuschnupfen hat, weiß, wovon Sie sprechen. Also das sind Allergien, gegen die man etwas tun kann und Allergopharma, Sie sagen älter als 50 Jahre ist die Firma, wann ist die gegründet worden? Wissen Sie das genau?

Die Firma ist gegründet worden 1969.

Neunundsechzig, also insoweit da schon fast 60 Jahre alt. Aber eine Firma, die gegründet worden ist von jemandem, der sich gesagt hat, man müsse was gegen diese Allergien tun können, irgendwo Gegenmittel damit erzeugen. Was war die Idee damals, wie man die Allergien bekämpfen wollte?

Die erste Idee war, dass die wissenschaftlichen Findings, dass eine geringe Menge des Allergens, gegen das ein Mensch sensibilisiert ist, gegen das er allergisch ist, wenn man die dem Menschen appliziert und das über einen langen Zeitraum in kleinen Schritten macht ­– langen Zeitraum, wir reden von drei bis fünf Jahren Therapiedauer – dann gewöhnt sich das Immunsystem an dieses Allergen. Und durch diese Gewöhnung entsteht dann keine Immunreaktion mehr. Denn eigentlich ist ja eine Immunreaktion gegen Baumpollen oder Hausstaubmilben gar nicht notwendig. Die machen uns ja sowieso nicht krank.

Das heißt aber auch, Sie produzieren jetzt nicht irgendwelche Arzneimittel, die ich einmal schlucke und dann hoffe, dass die Wirkungen weggehen der allergischen Reaktion, sondern Sie produzieren vor allem etwas, was zur Desensibilisierung eigentlich gehört.

Genau. Wir produzieren Arzneimittel zur Hyposensibilisierung. Die werden subkutan injiziert, unter die Haut injiziert, also nicht geschluckt.

Und das mit einer Therapie, die ja eine Weile dauert.

Die Therapie dauert mindestens drei Jahre. Sie brauchen aber die Spritze nur alle vier bis acht Wochen. Also es ist nicht so, dass Sie immerzu eine Spritze bekommen müssen.

Allergien, das ist so langläufig bei vielen im Kopf, nach dem Motto: Na ja, was ist schon eine Allergie? Aber Allergien können schwerwiegende Krankheiten sein, die wirklich auch große Reaktionen auslösen. Ich glaube, Ihre Kundschaft ist gerade diejenigen, die so echt schwer zu leiden haben unter diesen allergischen Reaktionen.

Genau, mit der Allergie-Immuntherapie oder der Hyposensibilisierungstherapie behandeln wir insbesondere die Patienten, die massiv unter den Symptomen dieser Allergie leiden, die also auch ihr soziales Leben einschränken, die während der Baumpollen-Saison nicht mehr aus dem Haus gehen, kein Sport mehr treiben können, letztlich sozial nicht mehr teilnehmen können. Außerdem führt eine unbehandelte Allergie in vielen Fällen dazu, dass ein allergisches Asthma entsteht. Und das ist dann endgültig eine chronische, oftmals lebenslange Einschränkung und behandlungswürdige Situation, die wir versuchen mit unserer Therapie zu vermeiden.

Nun, Herr Willers, jetzt müssen wir uns erstmal ein bisschen was vorstellen darunter. Also ich sage jetzt mal Birkenpollen, allergisch dagegen bin ich nicht, aber wir nehmen das jetzt mal an. Sie stellen ja keine Birkenpollen her, sondern Sie müssen jetzt irgendwie eine Substanz schaffen, die mir dann unter die Haut injiziert wird und dafür sorgt, dass erst kleinere und dann größere Reaktionen ausgelöst werden. Was ist denn das Produkt, das Sie eigentlich herstellen? Weil Birkenpollen wird man wahrscheinlich zukaufen, nehme ich an?

Genau. Birkenpollen kaufen wir zu von Firmen, die die Birkenpollen während der Blütephase der Birken sammeln. Und dann gehen wir hin und extrahieren diese Birkenpollen, die Naturstoffe in einer Art und Weise, dass wir die Hauptallergene, die relevanten allergieauslösenden Substanzen in den Birkenpollen, dass wir die in guter Proteinkonfiguration erhalten. Wir gehen anschließend hin und modifizieren diese noch chemisch, um möglichst wenig Nebenwirkungen durch die Therapie produzieren zu können. Und dann lösen wir sie auf, sodass sie flüssig sind und dann mit einer Spritze appliziert werden können.

Chemisch modifizieren, um die Nebenwirkungen klein zu halten. Was habe ich mir darunter vorzustellen?

Wir verändern sie durch eine chemische Behandlung in einer Art und Weise, dass sie keine direkten Allergiesymptome mehr auslösen, dass sie nicht mehr dieses typische Naselaufen, Augenjucken, vielleicht sogar ein Asthma bis hin zum allergischen Schock machen, sondern dass diese Reaktion des Immunsystems vermieden wird. Aber trotzdem das Immunsystem erkennt: das Allergen habe ich gerade gespritzt bekommen, und eine Immunreaktion auslöst, die dann dauerhaft zu einer Veränderung des Immunsystems führt, sodass eine Toleranz entsteht. Also die Akzeptanz dieses Allergens.

Also das Prinzip ist verstanden. Was ich noch nicht verstanden habe, ist: Jetzt habe ich was extrahiert aus den Birkenpollen und die auch noch chemisch behandelt. Was muss ich jetzt noch damit tun, damit ich eine, ich sage mal injizierbare Substanz daraus kreiere? Denn also extrahierte Birkenpollen klingt jetzt nicht so, dass ich die in einer Spritze aufziehen könnte.

Nein, wir müssen die natürlich gefriertrocknen. Wir binden die dann auch noch an sogenannte „Immune Enhancer“, die die Immunreaktion verstärken, um den therapeutischen Erfolg stärker und größer zu machen – ist sicherlich auch eine große Stärke unserer Produkte, dass der therapeutische Erfolg in sehr großer Zahl bei den Patienten, die es schaffen, diese drei Jahre Therapie zu bestehen, dann eintritt. Und der Herstellprozess ist komplex und langwierig, dauert über ein Jahr von dem Zeitpunkt, wo wir anfangen, die Birkenpollen zu extrahieren, bis zu dem Zeitpunkt, wo ich das fertige Produkt habe.

Das heißt, innerhalb Ihres Betriebes muss diese Substanz, wird die ein Jahr lang bearbeitet. Muss die reifen irgendwie?

Nein, die muss natürlich gesäubert werden, die ist ja der Umwelt ausgesetzt gewesen. Die Birkenpollen stehen ja draußen. Die darf keine Schadstoffe enthalten, die muss vollständig rein sein. Sie muss qualifiziert werden, da sind auch analytische Methoden da, um sicherzustellen, dass das Arzneimittel immer die gleiche Qualität anbietet. Und das ist ein Prozess, der ist komplex.

Sie sitzen mit Ihrer Firma in Reinbek bei Hamburg. Wie ist es dazu gekommen, dass die Firma gerade da gegründet worden ist? Der Gründer hat da einfach seine Firma hingebaut?

Es gibt andere pharmazeutische Unternehmen in der Region, im Industriegebiet Reinbek-Glinde, was sicherlich den Ausschlag gegeben hat, dort zu starten und da auch entsprechend Personal rekrutieren zu können, Menschen zu finden, die eine entsprechende Expertise und Know-How mitbringen, um da zu arbeiten.

Das ist das, worauf ich hinauswollte: Es gibt so auf der Achse zwischen Hamburg und Lübeck bestimmte Orte, die für das Thema Gesundheitswirtschaft, Medizintechnik, Pharmazeutik schon irgendwie eine größere Rolle spielen. Reinbek gehört dazu, weil da mehrere Unternehmen sind. Hat sicherlich damals für die erste Ansiedlung eine Rolle gespielt und hat etwas, Sie haben es gerade gesagt, mit dem Thema Personalsuche zu tun. Man ahnt, dass das, was Sie tun, wenn es ein Jahr dauert, so ein Produkt herzustellen, dass das sehr fachlich hochqualifiziertes Personal braucht.

Ja, ich glaube, dass es anspruchsvolle Tätigkeiten sind. Wir haben Laboranten, Chemikanten, Pharmakanten, die da jeden Tag daran arbeiten, dass diese Produkte in der entsprechenden Qualität dargestellt werden. Wir haben natürlich auch sehr viele Wissenschaftler in unserem Personal: Chemiker, Biologen, ich selbst bin Mediziner, Biotechnologen, Ingenieure, damit wir die Anlagen betreiben können. Das ist insgesamt ein sehr komplexes und wissenschaftlich anspruchsvolles Gebiet.

Ist es schwierig, diese Fachkräfte zu rekrutieren in Reinbek?

Ja, sicherlich ist es schwierig, die Fachkräfte zu rekrutieren. Wir versuchen, auf uns aufmerksam zu machen. Wir haben verschiedene wissenschaftliche Kollaborationen mit Universitäten, auch mit der Universität in Kiel und in Lübeck sehr gute Verbindungen. Wir vergeben Doktorarbeiten, haben gerade eine Doktorarbeit, die mit der Universität Kiel läuft. Also wir versuchen, den wissenschaftlichen Nachwuchs dafür zu gewinnen und zu begeistern, sich der Allergologie zu widmen. Allergien selbst sind eine sehr große Krankheit, sind ja eine Volkskrankheit. Die allergologische Forschung ist trotzdem eher eine Nische. Und in dieser Nische qualifizieren wir den akademischen Nachwuchs gerne weiter auf ein Niveau, dass dann unserer Firma auch zugutekommt.

Schön, dass Sie darauf kommen, sonst hätte ich danach gefragt. Sie engagieren sich sehr, was diesen akademischen Nachwuchs angeht. Sie haben auch einen Allergopharma Award ins Leben gerufen, um bestimmte wissenschaftliche Leistungen auszeichnen, aber Sie betreuen auch Dissertationen, Sie haben das gerade schon gesagt, auch an der Universität in Kiel und in Lübeck, weil es einfach auch für Ihr Business notwendig ist, dass Sie das Personal sich quasi selbst rekrutieren?

Also zum einen hilft es natürlich enorm Experten zu finden, Experten zu begeistern für das Thema Allergologie und die Schwierigkeiten, die ja viele Unternehmen im Augenblick haben, Fachkräfte zu gewinnen, dadurch rauszukriegen. Das andere ist natürlich, dass wir ein forschendes Pharmaunternehmen sind. Wir wollen ja die nächsten Schritte gehen. Wir haben Produkte, die wir im Augenblick einsetzen und die wir herstellen und die den Patienten helfen. Daneben wollen wir natürlich morgen neue Produkte liefern. Wir wollen neue Konzepte ausprobieren, die vielleicht noch besser sind, noch effizienter sind, vielleicht nicht so lange dauern im Fall der Desensibilisierungstherapie. Also da gibt es sicherlich viele Optionen und wir arbeiten da an verschiedenen Ebenen. Und dafür ist die Kollaboration mit den akademischen Einrichtungen, mit den Universitäten, mit den Forschungszentren, auch gerade in Schleswig-Holstein, sehr hilfreich und sehr nützlich.

Und das ist auch mal ganz wichtig, weil man könnte ja auch auf die Idee kommen, ein 1969 gegründetes Unternehmen von einem Menschen, der kreativ war und der für diesen Birkenpollen-Wirkstoff irgendwie auch mal super extrahiert hat, sagt: Prima, wir haben es doch jetzt. Das ist das Produkt, das wir reihenweise einfach herstellen und dann verkaufen wir das. Sie gehören zu den forschenden Pharmaunternehmen, das heißt, Sie sind der permanenten Weiterentwicklung Ihrer Produkte.

Genau. Wir entwickeln sowohl die bestehenden Produkte permanent weiter. Wir verstehen die Wirkungen, die die Produkte im Menschen haben permanent neu. Wir arbeiten an dem, wie wir die Produkte herstellen, um sie da an der Stelle zu optimieren. Wir entwickeln auch klinische Daten jederzeit, um zu sehen, ob vielleicht andere Applikationsschemata oder andere Dosierungen hilfreicher sind und welche Auswirkung die haben. Und wir gucken insbesondere auch nach ganz neuen, komplett anderen Therapien, um auch in der Zukunft erstens wettbewerbsfähig zu sein, aber zweitens natürlich auch, um bessere Therapien anbieten zu können.

Wir müssen erstmal nochmal bei der Breite der Allergien bleiben ein bisschen, denn wir waren so viel bei der Birkenpolle. Es gibt ja so zahllose Allergien, dass man da dann schon sagt: Mensch, das ist eine Herausforderung, all die Substanzen, gegen die man allergisch sein kann, auch irgendwie zu verarbeiten. Ich sag jetzt mal, bei einer Birkenpolle ist es noch relativ einfach, Gräser in allen möglichen Formen sind schon so viele unterschiedliche, dass es ganz wahnsinnig viele Produkte sind. Und wenn ich dann an die Hausstaubmilbe denke, wo man möglicherweise auch nicht einfach so irgendwo den Wirkstoff einkaufen kann, sondern wo man sich fragen muss: Wie machen wir das jetzt eigentlich? Da ist es wieder anders herausfordernd.

In der Tat, das ist völlig richtig. Bei der Hausstaubmilbe ist es übrigens so, dass wir selber Hausstaubmilben züchten. Wir haben ein eigenes Labor, in dem wir die regelmäßig füttern und anzüchten, damit wir die dann ernten können. Sonst müssten wir ja durch die Schlafzimmer in Schleswig-Holstein gehen, das ist dann wahrscheinlich doch kein pharmazeutischer Schritt.

Sie züchten Hausstaubmilben selbst.

Ja, genau.

Das machen Sie natürlich, um genau diejenigen, die darunter so leiden, eben zu desensibilisieren. Also damit irgendwie gegen ihre Allergien vorgegangen werden kann. Aber wie breit ist das Produktportfolio? Was muss ich mir da vorstellen? Wie viele Produkte bieten Sie an?

Na ja, wir haben Produkte zur Desensibilisierung im Rahmen von 20 plus Produkten. In verschiedenen Ländern haben wir unterschiedliche Produkte, die sind nicht überall gleich und es ist auch unterschiedlich relevant. Zum Beispiel der Olivenbaum, der spielt in Schleswig-Holstein jetzt nicht die große Rolle bei den Allergien, aber in Südeuropa spielt er natürlich eine große Rolle und ist von daher da im Portfolio. Daneben haben wir Diagnostiker, um den Ärzten die Möglichkeit zu geben, die richtige Allergie überhaupt erst zu identifizieren, bevor sie anfangen zu behandeln. Da haben wir Zulassung für über 100 Skin-Haut-Pricktests, wo ein Tropfen des Allergens auf die Haut appliziert wird und dann mit einer Lanzette oberflächlich eingestochen wird. Und diese Pricktests stellen wir her, die sind als Arzneimittel zugelassen und daher entsprechend reguliert. Wir stellen auch Testungen zur nasalen Provokation her, wo das Allergen in die Nase appliziert wird.

In Wahrheit muss man natürlich sagen, dass Sie in meiner Nase, würden Sie was auslösen wollen und das will ich gar nicht, aber das brauchen Sie natürlich, um festzustellen, ob diese Allergie da vorhanden ist.

Ganz genau. Und bevor Sie eine dreijährige Therapie starten wollen, würden Sie auch wissen wollen, dass das ganz sicher die richtige Allergie ist, die da behandelt wird.

Da haben Sie was gelassen ausgesprochen, in der Tat. Bevor ich drei Jahre lang alle acht Wochen mir irgendeine Spritze geben lasse, will ich wissen, ob es wirklich das ist. Im Jahr 2021, in dem Jahr, in dem wir im zweiten Jahr mit der Corona-Pandemie zu tun hatten – wir sind ja schon im Jahr 2022 und die Pandemie hält jetzt schon fast zwei Jahre an – eine Allergopharma-Firma hat plötzlich eine Anfrage und tut noch etwas ganz Neues neben den ganz vielen Allergie-Themen. Sie ist plötzlich Teil einer Impfstoffproduktion. Wie ist es dazu gekommen?

Zusammen mit der Firma BioNTech produzieren wir den die Covid-19-Vakzine der BioNTech AG. Dazu gekommen ist es letztlich auf zwei Grundpfeilern. Der erste Pfeiler ist, wir hatten das wissenschaftliche Know-How im Haus. Wir hatten Wissenschaftler in der Dermapharm-Gruppe zu der Allergopharma ja gehört, die viele Jahre an Nanopartikeln und an RNA-Technologien, das ist ja die Grundlage des Covid-Impfstoffs, gearbeitet haben. Wir hatten wissenschaftlich Kompetenz, die das tragen konnte. Und das zweite ist, wir haben in Reinbek eine große Produktionsanlage, absolut state-of-the-art, nagelneu gebaut für viele Millionen Euro, und diese Produktionsanlage hatte Kapazitäten, die wir noch weiter auslasten konnten. Und die Konstellation des Know-Hows zusammen mit den technischen Voraussetzungen hat dann dazu geführt, dass BioNTech gesagt hat: Ihr seid der richtige Partner für uns.

Wann war das?

Die Kooperation mit BioNTech haben wir vereinbart im Dezember 2020, und dann hatten wir weniger als vier Monate Zeit, um die Produktion auf die Beine zu stellen. Das ist in meiner beruflichen Erfahrung Weltrekordzeit. Ich habe niemals so schnell eine Produktionslinie aufgebaut, analytische Methoden aufgebaut, die alle vorher nicht existierten, und wo es auch eine große Schwierigkeit war, überhaupt entsprechend Material einzukaufen. Auch das Material, was man jeden Tag für die Herstellung braucht, weil ja der Bedarf weltweit riesengroß war – gerade in der Anfangsphase, als diese Impfstoffe gerade zugelassen waren, wollte ja jeder sofort welche haben.

Und wie viel produzieren Sie jetzt an diesem Impfstoff? Wenn man heute mal so Anfang des Jahres 22 schaut, ist der Bedarf ja gigantisch. Und wie viel können Sie produzieren?

Der Bedarf ist gigantisch. Wir haben für dieses Jahr 500 bis 600 Millionen Dosen mit der BioNTech vereinbart, die wir garantieren. Und je nach Bedarf könnten wir das auch noch ein bisschen steigern.

Sie sind der zweitgrößte Standort, habe ich gelesen, was BioNTech als Impfstoff angeht in Deutschland, und damit auch einer, der BioNTech-Impfstoffe für die ganze Welt mitproduziert.

Richtig. Unser Produkt, also Produkt aus unserem Haus, aus Reinbek in Schleswig-Holstein, ist mehr oder weniger in der ganzen Welt zugelassen, in ganz vielen Ländern. Wir sind mit allen Behörden international im Kontakt, wenn es dazu Fragen gibt. Und dahin verschiffen wir auch das Produkt.

Und das ist mit Sicherheit etwas, was auch die meisten Schleswig-Holsteiner nicht wissen: dass bei uns im Land in Reinbek dieser Impfstoff mit zweitgrößtem Potenzial für ganz Deutschland und für die ganze Welt produziert wird. Von einer Firma, die eigentlich auf Allergiebehandlung ausgerichtet war und die mit freien Kapazitäten jetzt in die Impfstoffproduktion mit eingestiegen ist. Das ist ja aber auch für einen Geschäftsführer eine Herausforderung. So was ist ja auch ein geschäftliches Risiko, nicht? Fünfhundert, sechshundert Millionen Dosen zu garantieren und zu wissen, dass die ganze Republik darauf guckt, dass man die genügenden Dosen auch irgendwie auch vorhanden hat.

Das sehen Sie völlig richtig. Ich kann Ihnen sagen, als wir das im Dezember 2020 vereinbart hatten, hatte ich sehr unruhige Weihnachten, weil mir eigentlich nicht klar war, wie wir in weniger als vier Monaten dahin kommen sollten, dass wir diesen Impfstoff und dann in der Quantität produzieren sollten. Es war eine enorme Anstrengung und man muss auch sagen, es war auch ein enormes Engagement und Enthusiasmus unter den Mitarbeitern, die unbedingt wollten, diesen Beitrag zu leisten, die unbedingt gezeigt haben, dass wir das können, dass wir helfen werden, um diese Krankheit zu besiegen. Da brauchte man an Motivation überhaupt nichts mehr zu tun. Ganz im Gegenteil: Vielfach musste man auch die Kollegen bremsen, da auch nicht zu viel zu machen. Aber Sie haben völlig recht, es war ein erhebliches Risiko. Aber wir sind sehr stolz, dass wir das Risiko getragen haben.

Das ist ja auch was Tolles und da kann man ja auch wirklich stolz drauf sein. Nicht nur, dass die Innovation des Impfstoffs schon aus Deutschland kommt, mit Pfizer gemeinsam über die Welt verbreitet wird, aber noch mit einem weiteren Produktionsstandort bei uns in Schleswig-Holstein, der so viel hilft, derzeit auch die Pandemie zu bekämpfen – das ist ja eine sensationelle Leistung. Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Sie insgesamt und am Standort in Reinbek?

Wir haben ungefähr 350 Mitarbeiter am Standort in Reinbek.

Der Standort Reinbek und dieses Potenzial, auch diese Innovationskraft BioNTech-Impfstoff zu produzieren, das ist in Schleswig-Holstein zu Hause. Darauf sind auch wir Schleswig-Holsteiner ein bisschen stolz, wenn ich das mal an dieser Stelle so sagen darf, so eine Firma in unseren Reihen zu haben. Jetzt ist der Herr Willers, ich sag jetzt mal vom Sprachduktus nicht in Schleswig-Holstein geboren.

Das ist richtig. Ich bin eigentlich Westfale, aber ich bin seit über 20 Jahren in Schleswig-Holstein und fühle mich eigentlich inzwischen als Schleswig-Holsteiner.

Was ist so schön an Schleswig-Holstein?

Naja, die Offenheit und die Klarheit der Menschen ist ganz wunderbar. Es wird nicht drum herumgeredet, es geht gerade auf das Problem zu und wenn was schiefläuft, wird auch das angesprochen. Mir macht es viel Spaß und ich lebe sehr gerne in Schleswig-Holstein.

Es wird nicht immer als die höflichste Form empfunden. Allerdings ist es wirklich in der Tat geradeheraus. Spielt für Ihr Recruiting bei Menschen der Standort Schleswig-Holstein eine Rolle?

Ja, natürlich ist es attraktiv, Schleswig-Holstein als ein sehr schönes Land, als ein Land, in dem ja viele auch Urlaub machen. Das spielt uns oftmals in die Karten und das ist schon sehr relevant, auch für die Rekrutierung. Und viele sagen: Dann kann ich ja hier fast jeden Tag Urlaub machen!

Zum Schluss, Herr Willers, haben wir so eine Rubrik kurze Fragen, kurze Antworten und deshalb drei kurze Fragen. Mein liebster Ort in Schleswig-Holstein ist…

Lübeck.

Warum?

Ich finde einfach die alte Stadt in Lübeck ganz wunderbar.

An meiner Arbeit gefällt mir am besten…

…., dass wir immer wieder neue Wege gehen können, dass wir immer wieder neue Dinge erforschen können, die noch keiner vor uns gemacht hat.

Ich reagiere allergisch auf…

Ich reagiere allergisch auf zu viel politisches Verhalten im Geschäftsgebaren, statt dahin zu kommen, Probleme anzugehen und zu lösen – auch wenn Sie Politiker sind, Herr Buchholz (lacht).

Na ja, es ist vielleicht ja auch eine Eigenschaft, dass Politik sich insoweit ändert, als dass genau dieses, die klaren Antworten, ja die Lösungen im Blick zu haben, nicht Schuldige zu suchen, sondern nach Lösungen zu suchen, dass man das in den Blick nimmt. Ich glaube, gerade während der Pandemie war das sehr erforderlich, dass da auch nicht immer nur gegeneinander gespielt, sondern dass man miteinander versucht hat, schnelle Lösungen herbeizuführen. Vielleicht hat sich da der Begriff „Das ist alles so politisch“ auch ein bisschen gewandelt, denn letztlich geht es um Lösungen, die man für Gemeinschaften herbeiführt. Bei mir war Dr. Christoph Willers, der Managing Director und Geschäftsführer von Allergopharma, einer Firma, auf die wir nicht nur stolz sind, weil sie mit großem Know-How Allergieprodukte herstellt, die auf der ganzen Welt gegen alle möglichen Allergien eingesetzt werden und damit Menschen hilft, sondern der zweitgrößte Hersteller von BioNTech-Impfstoff in Deutschland ist, und damit zur Bekämpfung der Corona-Pandemie erheblich beiträgt. Danke herzlich für Ihren Besuch.

Vielen Dank Ihnen für Ihre Zeit, Herr Buchholz,

Und sage den Zuhörerinnen und Zuhörern: Ich hoffe, Sie hatten Spaß. Ich freue mich, wenn Sie beim nächsten Mal wieder dabei sind, wenn es zu einer neuen Folge kommt von Echte Chancen, dem Podcast des Wirtschaftsministers aus Schleswig-Holstein. Vielen Dank!