„Aus Personalmanager:innen werden Fans.“

im Gespräch mit Frank Simoneit von lvlup!HR

#Recruiting und #Gaming – wie passt das zusammen? Sind Bewerbungsverfahren jetzt ein Kinderspiel? Das Thema E-Sport und Gaming wird mittlerweile tatsächlich auch im HR-Bereich eingesetzt. Frank Simoneit, Geschäftsführer von lvlup!HR unterstützt mit seinem 2021 gegründeten Start-up Unternehmen dabei, auf eine innovative Art und Weise Personal zu gewinnen. 

Die Idee von lvlup!HR: Aus dem Verhalten beim Spielen lassen sich u. a. Fähigkeiten der Bewerber:innen ableiten. Gerade im Bereich der Assessment Center sehen Spielwissenschaftler:innen viel Potenzial. Die Bewerber:innen verhalten sich unbefangener und ehrlicher, wenn sie in einer Spielsituation sind. Schnell kann man erkennen, ob die Person im Zusammenspiel eine Lead-Position übernimmt, ob sie Teammitglieder unterstützt und zugewiesene Rollen wahrnimmt oder ob sie besonders überlegt und strategisch vorgeht. Die so erhobenen Daten können Aufschluss darüber geben, wer von den Bewerber:innen sich am besten für die zu besetzende Stelle eignet. Diese neue Art des Bewerbungsverfahrens ist für Unternehmen gleichzeitig eine Chance, sich für jüngere Generationen interessanter zu machen.


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Claus Ruhe Madsen: E-Sport als Innovationsmotor für die Personalarbeit, von Teambildung über Recruiting bis hin zu Employer Branding. Aber geht das wirklich? Kompetenzen von potenziellen Mitarbeitenden über das Prinzip Homo ludens, also das Prinzip des spielenden Menschens, herauszufinden? Was haben die Chancen und Potenziale von wettbewerbsorientiertem Gaming, dem E-Sport, mit den Herausforderungen und Erfordernissen einer modernen Personalarbeit zu tun? All das erfahren wir in dieser Episode. Ich bin Wirtschaftsminister Clausen Ruhe Madsen und du hörst meinen Podcast.

Einspieler: Zukunftstalk mit Madsen, der Podcast für alle, die Schleswig-Holsteins Weg zum ersten klimaneutralen Industrieland begleiten möchten. Es geht um das Leben und Arbeiten im echten Norden, um spannende Wirtschaftsthemen und wichtige Zukunftsbranchen. Außerdem erzählen Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner ihre inspirierenden Erfolgsgeschichten und geben Einblicke in ihre ganz persönliche Work-Beach-Balance. Viel Spaß beim Reinhören!

Herzlich willkommen, Frank! Schön, dass du da bist. Es geht heute um ein spannendes Thema, nämlich E-Sport und wie E-Sport das Recruiting revolutionieren kann. Als Arbeitsminister werde ich da ganz hellhörig, aber stelle dich unseren Zuhörerinnen und Zuhörer erst einmal kurz vor.

Frank Simoneit: Ja, erstmal danke für die Einladung. Freut mich sehr, dass ich da sein darf. Mein Name ist Frank, und ich bin jemand, der sehr gerne neue Sachen anfängt und ganz ehrlich gesagt, auch gar nicht unbedingt drüber nachdenkt, ob das auch wirklich schon zu Ende gedacht ist. Ich fange dann eher an zu machen, denk auch nicht unbedingt über alle Risiken nach, die das so hat, und ich bin auch ganz gut darin, Leute davon zu überzeugen, mitzumachen, und diese Charaktereigenschaft habe ich in den letzten anderthalb Jahren bei Lvlup!HR als Geschäftsführer voll ausleben können. Wir haben wirklich etwas Innovatives angeschoben, und das macht großen Spaß.

Du hast gerade euren Firmennamen verraten. (Madsen buchstabiert den Firmennamen)

Ja, Lvlup!HR heißt das, und es ist so ein kleiner running gag schon in der Szene in Schleswig-Holstein, dass wir die Firma sind, die man weder schreiben noch aussprechen kann. Aber es ist einfach der Tatsache geschuldet, dass wir uns das sehr, sehr schnell ausdenken mussten. Wir hatten Druck, diesen Namen zu erfinden, und wir sind aber sehr glücklich damit, weil es hat ein hohen Wiedererkennungswert.

Was steckt hinter den Namen?

Simoneit: Letztendlich ist es eine Wortschöpfung, die aus zwei Elementen besteht. Level Up heißt einfach die nächste Stufe erreichen, also etwas besser machen, und HR steht einfach für Human Ressources, also für Personalmanagement.

Da hätte man dann nicht sagen können: Nächstes Level von Personal?

Ja, ansonsten wäre die andere Form gewesen “nächste Stufe Personalmanagement”, aber das ist irgendwie ...

Aber nein, ich verstehe, im hohen Norden muss es smart klingen.

Ja, es sollte ein bisschen cooler klingen, einfach.

Kriegt ihr dadurch mehr Kunden?

Das wissen wir nicht, weil wir haben ja keinen Vergleich. Aber letztendlich werden wir eigentlich sehr positiv auf den Namen angesprochen, und zumindest hat es immer so die Nachfrage: Was bedeutet es denn, wie seid ihr da draufgekommen? Also, es ist auch ein schönes Thema, um damit in Smalltalk zu kommen

Und ich glaube, dann hast du genau wieder den Kreis letztendlich rund bekommen, nämlich was du anfangs sagtest: viel Neugier und auch Bereitschaft, etwas einfach zu starten. Wie läuft es denn?

Es läuft sehr, sehr gut bei uns. Überraschend gut müssen wir immer sagen, Lvlup!HR ist ja keine so richtig geplante Unternehmung gewesen, und das, was wir tun, ist schon neu. Wir setzen E-Sport ein im Bereich der Personalentwicklung, sowohl für Auswahl von Personen als auch für Qualifizierungsmaßnahmen, und es ist schon auch was Neues. Von daher passt der Name natürlich auch ganz gut, und wir wollten uns damit ja auch von anderen Dienstleistern absetzen, und die Nachfrage ist natürlich auch Fachkräftemangel getrieben, und wir haben die Situation, dass viele darüber nachdenken. Wir müssen irgendwie was Neues machen, wir müssen innovativer werden. Wie können wir das machen? Und da haben wir eben schon eine ganz gute Lösung im Moment, die wirklich sehr gut nachgefragt wird.

Wie seid ihr denn auf diese Idee überhaupt gekommen?

Ja, also, was wir nicht gemacht haben, ist, dass sich vier Leute zusammengesessen haben und gemeinsam einen Businessplan überlegt haben, sondern wir haben einfach zusammengesessen und haben tatsächlich auch ein paar Bier getrunken, und wir vier haben alle im weitesten Sinne mit Personalthemen zu tun und wir haben drüber nachgedacht und uns auch ein bisschen frustriert geäußert, wie das eigentlich mit Auswahlverfahren im Bereich der Nachwuchskräfte ist; z.B. Assessment Center, die wirklich sehr stressig sind für die jungen Menschen und mit Methoden arbeiten, die wirklich überhaupt nicht mehr aktuell sind. Da werden zum Teil noch Poster geklebt und so Gruppendiskussionen mit ausgedachten Aufgaben, und dann kam irgendwie der Gedanke auf, man müsste das einfach mal mit Counterstrike machen oder mit anderen Computerspielen. Und dann haben wir tatsächlich den Ehrgeiz an den Tag gelegt und sind losgelaufen, wir haben ein Unternehmen gesucht, mit dem wir das einfach mal ausprobieren können, haben dann auch ein Unternehmen in Flensburg gefunden, was sich bereit erklärt hat, das mit uns zu tun, und dann aber auch gesagt hat, also die Abteilungsleiterin damals, ´“ja, ich schicke euch meine zwölf Leute, aber ich will nicht, dass die hier den Nachmittag verdatteln, sondern die sollen schon ein richtiges Assessment Center haben, mit Visualisierung der Daten, mit Anforderungsprofilen, mit Feedback-Gesprächen...“ Das haben wir uns dann auch zu Herzen genommen und haben das auch so auch gemacht, und dann hatten wir die Situation, dass wir jemand dabei hatten in dieser Gruppe, die da mit uns gespielt hat, die sehr, sehr ruhig war, ein Mädchen, die in den Gesprächsrunden, die wir auch haben, wo die Gruppen sich drüber unterhalten, wie sie das Computerspiel spielen, hat die nichts gesagt, die hat aus dem Fenster geguckt, und im normalen Assessment Center wäre die eigentlich durchs Raster gefallen, weil man überhaupt nicht feststellt, was sie eigentlich kann, weil sie nichts preisgegeben hat. Im Spielen war die super, die hat taktisch super gespielt, die hat strategisch hervorragend gespielt, also ganz kurz anlassbezogen kommuniziert: Stopp halt, jetzt Ich! Dann haben wir das hinterher gefeedbackt und haben das der Abteilungsleiterin auch zur Kenntnis gegeben und haben gesagt, hier, Mädchen XY, die sagt ja nichts, aber die ist total super, die müsst ihr entwickeln, die ist klasse. Und da hat die Abteilungsleiterin gesagt: „ja, das weiß ich. Aber ich habe fünf Monate gebraucht, das rauszukriegen. Ihr habt einen halben Tag gebraucht, ich will das kaufen“. Und da haben wir gesagt: „Sorry, das war nur Spaß.“ Und dann hat sie gesagt: „Nee, nee, ich will das wirklich kaufen.“ Und da kam dann der Gedanke auf, dass wir da eine Geschäftsidee vielleicht entwickelt haben, und es waren damals die Stadtwerke Flensburg, die auch tatsächlich ernst gemacht haben. Sie sind unser Entwicklungspartner geworden und auch unser erster Kunde. Die haben das auch gekauft. Es gibt im Moment niemand bei den Stadtwerken Flensburg, der da im Auszubildenden- Bereich eingestellt wird, der nicht vorher mit uns gespielt hat, und das war so der Startschuss, wo wir dann überlegt haben: Okay, da kann man jetzt was draus machen.

Das ist dann der Vorteil gegenüber klassischen Programmen oder gibts es weitere Vorteile, z.B. bei den Prozessen?

Ja, Vorteil, ich sag mal, wir haben einfach Glück gehabt, dass diese Idee auf einmal da war. Wir haben dann sehr, sehr stark profitiert auch von der Start-up-Landschaft in Schleswig-Holstein. Wir haben zum einen am Ideenwettbewerb teilgenommen. Wir haben diesen Wettbewerb dann zu unserer völligen Überraschung auf dem Treppchen beendet. Mit dem Geld, was wir gewonnen haben, haben wir die Firma dann gegründet, Notarkosten et cetera, war alles gedeckt, und dann haben wir uns eben auch in der lisezwei im Technologiezentrum in Flensburg eingemietet, erst mal nur mit einem Postfach, und wir dachten ja eigentlich wir haben ein Postfach gemietet, aber zu dem Zeitpunkt, wo wir uns das gemietet haben, hat uns eigentlich Conny Clausen, die das Ganze da leitet, adoptiert, so wie sie das mit allen tut, die da sind, also auch ein fantastisches Team. Wir haben jegliche Unterstützung bekommen, die wir brauchten. Wir sind auf Initiativen aufmerksam gemacht worden, sie hat die Pitches mit uns geübt und hat uns also Zugang verschafft zu allen Möglichkeiten, die es da gibt. Und weiterer Schritt war dann der Überflieger-Wettbewerb, an dem wir teilgenommen haben, der jetzt übrigens auch wieder startet, können wir auch jedem nur empfehlen, da mitzumachen. Tolle Aktion, und auch da sind wir auf dem Treppchen gelandet, wieder zu unserer Überraschung. Neues Netzwerk, neue Möglichkeiten. Wir sind mit FEL HR in Kiel in Kontakt gekommen, mit denen wir jetzt eine Kooperation haben, toller Laden, wo wir gemeinsam gute Dinge tun, und wir sind dann richtig reingewachsen in die Szene in Schleswig-Holstein. Ich habe dann zum Spaß gesagt, wenn man keine Freunde hat, dann sollte man ein Start-up in Schleswig-Holstein gründen, weil dann hat man sofort welche.

Das, glaube ich, ist ein sehr guter Ansatz, und den kann ich auch nur unterstreichen. Man merkt ja schnell auf den Veranstaltungen, wie gut die Leute miteinander vernetzt sind, wie man sich auch unterstützt und hilft. Das ist die eine Seite für ein Startup. Andererseits, du hast eben geschildert, die Stadtwerke. Habt ihr noch weitere Kunden dazu gewinnen können?

Gewinnen können ja, wir haben eine ganze Menge an Kunden, also zum einen im Energieversorger-Bereich. Da ist der Link auch ziemlich gut nachvollziehbar, weil die Menschen, die in ihrer Freizeit E-Sport betreiben, haben ein extrem passendes Kompetenzprofil. Die sind technisch affin, die haben kein Problem mit Digitalisierung, die können alle englisch, und ich sage mal so, die Hälfte der Ausbildung, die man in der Elektrotechnik oder so macht, kann ich mir bei E-Sportlern eigentlich sparen. Die bauen zum Spaß Netzwerke auf, das ist deren Freizeitbeschäftigung. Von daher haben wir da auch eine ganze Menge an Nachfrage. Wir haben nicht nur mit den Stadtwerken in Flensburg gearbeitet, auch mit den Stadtwerken in Kiel. Aber das, was wir tun, kann eigentlich für alle Branchen, die noch das Glück haben, dass sie Leute aussuchen oder Leute qualifizieren können, genutzt werden. GM.SH ist ein ganz, ganz wichtiger Kunde von uns, das war unser erster Kunde nach der Gründung. Mit den Stadtwerken in Flensburg haben wir immer schon zusammengearbeitet. Aber die GM.SH hat dann als erstes gesagt, das wollen wir ausprobieren. Das hat uns damals sehr, sehr gefreut, weil es natürlich eine tolle Referenz ist. Auf der anderen Seite muss ich ehrlich sagen, haben wir damals auch Angst gehabt, weil wir hatten eigentlich so vorgehabt, es erstmal mit so ein paar kleineren Unternehmen auszuprobieren und die GM.SH ist ja schon eine Nummer, aber ein ganz, ganz tolles Team. Burkhard Lauf, der da die Personalabteilung leitet, hat es intern auch durchgesetzt und hat uns auch sehr, sehr gefördert und da sind wir auch sehr dankbar dafür. Wir haben mit Trixie Heimtierbedarf gearbeitet. Tolles Projekt, steht jetzt kurz vor der Tür. Wir dürfen mit den Jungs aus Wacken was machen, da freuen wir uns auch drauf, und wo wir echt stolz drauf sind, gebe ich auch ganz ehrlich zu, wir haben Aufträge auch von der Bundesagentur für Arbeit bekommen. Das sind eigentlich die Vermittler-Profis, und wenn die auf uns zukommen und sagen, wir würden gerne was mit euch machen, dann kann das so falsch nicht sein!

Vorher viel kurz der Begriff Counterstrike. Das ist vielleicht nicht das Game, was die meisten Menschen gleich als sympathisch einstufen würden. Kommen denn auch andere Spiele in eurem Prozess vor?

Ja, Counterstrike spielen wir fast nie, also wir brauchen Spiele, die relativ einfach sind und wo die Spielrunden kurz sind. Aber wir spielen da nicht einfach nur so und gucken so, was es zu gucken gibt, sondern der erste Schritt ist, dass wir im Unternehmen uns die Anforderungsprofile angucken für die Position, auf die geprüft werden soll, oder die Kompetenzprofile, die gewünscht sind. Die übersetzen wir dann in Verhaltensanker, die man im Spiel sehen kann, und dann bauen wir Spielsituationen, in denen diese Verhaltensanker getriggert werden, also wo ich dieses Verhalten zeigen kann, und so suchen wir auch die Spiele aus. Wir spielen ganz viel Rocket League, das ist so Auto Fußball, und wenn es ein bisschen taktischer wird, wenn es auch darum geht, welche Rollen spiele ich, wenn man ein bisschen rauskriegen will, wie arbeitet er im Team zusammen, dann ist Overwatch auch ein sehr, sehr schönes Spiel.

Oh, das kenne ich nicht.

Wenn man sich das als Laie anguckt, ist das eine wilde Prügelei von Comic Figuren, aber es ist halt nicht realistisch sowie Counterstrike, aber es hat halt sehr starke Rollenbezüge. Ich muss mich vorher entscheiden, wen ich spielen will. Es gibt zum Beispiel Heiler und als Heiler kann ich nur heilen, ich kann nicht in den Kampf selber eingreifen, und das ist schon sehr interessant, dann zu gucken, wer wählt welche Rolle, und das kann man auch für so Teamentwicklung nutzen, da kann man ganz dominanten Menschen mal die Heiler-Rolle geben und kann gucken, wie die damit umgehen, ist sehr interessant. Im Moment sind wir auch für die Kielregion aktiv. Da gibt es ein großes Projekt, auch gefördert vom Land, Fachkräfte zu akquirieren aus anderen Bundesländern und unter anderem für die Gesundheitsbranche, und da ist der Gedanke, ob wir nicht gucken, ob wir Menschen finden, die bei Overwatch hauptsächlich Mercy spielen. Weil Mercy ist eine Heiler-Figur in Overwatch, und eigentlich ist Mercy die paritätische Wohlfahrt der Overwatch Welt. Das heißt, jemand, der Mercy spielt, hat eigentlich schon mehr eher ein soziales Mindset und da könnte man gucken, finden wir vielleicht Leute, die das hauptsächlich spielen, und könnte sie für Gesundheitsberufe interessieren? Das ist natürlich auch eine Marketing-Kampagne klar, aber das ist mal so ein Ansatz, wie man Spiele auch im Recruiting einsetzen kann.

Klingt super. Wie wird denn eine Bewerberin oder ein Bewerber im Vorfeld darauf vorbereitet, oder kommen die und glauben, ich führe heute ein normales Gespräch?

Nein, das geht natürlich nicht. Sie müssen wissen, dass sie spielen. Das bekommen sie auch mitgeteilt. Es gibt so einen Standard -Text, den wir auch zur Verfügung stellen, wo man darüber informiert wird, dass wir mit Jugendlichen eben meistens Rocket League spielen. Da wird auch ganz klar gesagt, es ist nicht wichtig, ob du spielen kannst, du musst jetzt auch nicht anfangen zu üben (tun trotzdem alle). Lassen sich das von ihrem Bruder, Schwester oder so erklären, wenn sie es nicht können. Und es wird darauf hingewiesen, dass es eben eine Situation ist, in der man einfach nur möchte, dass Menschen sich einigermaßen natürlich verhalten und dass es nicht davon abhängt, die Bewertung, ob man hier gewinnt oder verliert, das heißt, sie wissen schon, was auf sie zukommt, und es funktioniert ziemlich gut. Es macht die Sache einfach viel lockerer, es wird nicht als Prüfungssituation empfunden, und wir haben eigentlich immer ziemlich gute Stimmung.

So, jetzt natürlich, wenn man das hört, wie du es beschreibst, kommt so ein bisschen das Gefühl auf, dass das eine bestimmte Generation ist, die ihr da abholt. Oder ist das für alle und nicht nur für die Gen Z?

Also, für die Generation Z ist es natürlich offensichtlich interessant, weil die nehmen das überhaupt nicht mehr als Arbeit wahr. Für die ist es komplett ihre Lebenswelt, und wenn wir mit denen einen Tag gespielt haben, und es sind Menschen aus dem Unternehmen, dann gehen die nach Hause und sagen: „Ich bin den ganzen Tag für Computerspielen bezahlt worden. Super“. Oder Assessment Center werden auch nicht als Assessment Center wahrgenommen, also nicht als Prüfungssituation. Sehr, sehr angenehm. Interessanterweise ist es aber auch so, dass es bei älteren Menschen und auch bei Menschen, die eigentlich nicht Computer spielen, wirklich sehr positiv wahrgenommen wird. Hängt einfach damit zusammen, dass der Spieltrieb halt kickt. Wir haben ein Projekt gehabt mit Menschen aus dem mittleren Management, die so im Durchschnitt 55, 60 waren, von denen die allermeisten wirklich nicht spielen, nicht gespielt haben, muss man sagen, weil jetzt spielen einige, mit denen haben wir Overwatch gespielt, und die haben einen Riesenspaß gehabt. Wir haben  Teambildung gemacht, wir haben bestimmte Situationen, wie zum Beispiel gerade beschrieben gehabt, dass wir Menschen, die eher dominant sind, mal eine andere Rolle gegeben haben, so ein bisschen Selbsterfahrung angestoßen haben, hat sehr, sehr gut funktioniert: und Spieltrieb ist angeboren, der ist auch altersunabhängig, und von daher befriedigen wir den komplett, und sobald da auf dem Bildschirm irgendwas blinkt, und ich kann irgendwo draufdrücken, es quietscht, bremst, man kann fahren und so, dann sind die Leute drin.

Ich würde auch sagen, dass die meisten Menschen solche Gespräche oder Auswahlverfahren eher so als ein Moment wahrnehmen, in dem man sich ein bisschen verunsichert fühlt. Ich glaube aber, in dem Moment, wo die Zockermaschine läuft, da fällt das von den meisten Menschen ab. Oder wie ist da eure Erfahrung?

Ja, das ist ja der Effekt, mit dem wir spielen. Also wir, es gibt ja ganz viele, die mit Gamification im Recruiting arbeiten, wir spielen aber keine Lernspiele. Wir spielen halt das, was die Leute auch zu Hause spielen, und diese Spiele sind auf Freizeitvergnügen angelegt, und es funktioniert sozusagen sofort, dass man da drin ist, dass man mitspielt, dass man Spaß hat, und dann vergisst man einfach, dass das eine Prüfungssituation ist. Wir prüfen das ab. Es gibt ja auch eine wissenschaftliche Begleitung, die wir haben. Das leistet das Institut für Personalmanagement der Fachhochschule Westküste. Professor Warszta, der uns da begleitet, und wir erfassen das auch, wie lange das ungefähr dauert, bis dieser Spieltrieb kickt, und das ist unter einer Minute.

Also, ich kann es ein Stück weit bestätigen. Ich hatte als Bürgermeisterkandidat ein kleines Computerspiel entwickelt, und wenn sonst Leute eigentlich nicht so gerne Fragen beantworten, in dem Moment, wo sie am Gamen sind und da dann Fragen eingebaut sind, ist jeder irgendwie bereitwillig. Also, man kann damit, glaube ich, viel gewinnen. Ich glaube auch, dass für Onboarding das ein starkes Thema wird. Also wie wird man verspielt in den Arbeitsalltag integriert? Habt ihr über solche Varianten auch nachgedacht, wie man das quasi weiterentwickeln kann?

Ja, das tun wir, weil zum einen gehen wir natürlich hin und sagen, okay, wir können mit diesem E-Sport-Setting Kompetenzen abprüfen. Aber wir schaffen es eben auch, eine Atmosphäre zu schaffen, in der man sich wirklich gut unterhalten kann. Und ein Baustein, den wir auch schon mit umsetzen, ist, dass wir Spiel-Sessions machen, in denen es gar nicht um die Kompetenzbeobachtung geht, sondern wo zum Beispiel Bewerber, Bewerberinnen mit Menschen aus dem Unternehmen gemeinsam spielen, weil es dann viel einfacher ist, danach im Gespräch mal zu fragen, wie ist es denn hier eigentlich? Wie sind denn die Vorgesetzten hier so? Es ist eine komplett andere Situation als in so einem starren Bewerbungsgespräch, wo sich natürlich der Bewerbende nicht natürlich verhält, und man schafft so einen Kommunikationsraum, der es den Menschen wirklich erleichtert, auch an Informationen zu kommen, die sie sich sonst vielleicht nicht trauen würden zu fragen, und ich kann das natürlich weiterspinnen. Wir sind zum Beispiel im Gespräch für die Stadtwerke in Flensburg, ob man das als Talentpool aufsetzt, Menschen immer wieder spielen lässt. Da haben sich mittlerweile auch Betriebssportgruppen gegründet. Wir sind auch dabei, ne Betriebsliga aufzusetzen, und da geht es immer darum, dass Menschen gemeinsam miteinander etwas tun in der lockeren Atmosphäre und damit natürlich auch eine Bindung ans Unternehmen und eine Verbindung zu den anderen Mitarbeitern hergestellt wird. Das ist ein Effekt, den wir ganz bewusst so auch mit einbauen.

Was war denn oder ist eure größte Herausforderung?

Die größte Herausforderung sind eigentlich, jetzt muss ich ein bisschen vorsichtig sein, wie ich das formuliere. Die Menschen, die letztendlich auch unterschreiben müssen, dass wir beauftragt werden. Das sind häufig Menschen, die mit dem Thema Gaming und E-Sport einfach noch nicht so viel Erfahrung haben, und die zu knacken und denen zu zeigen, dass das gut funktionieren kann, dass das ein Baustein ist, der sinnvoll ist, das ist schon manchmal ganz schön anstrengend.

Könnt ihr es nicht jedes Mal so machen wie bei den Stadtwerken, also einfach mal einen Piloten anbieten und sagen: wir machen eine Runde mit euch, schaut euch das an, guckt auf das Ergebnis und vergleicht die klassische Bewertung mit dem Ergebnis von unserer?

Ja, das machen wir genau so, das heißt, wir bieten kleine Projekte an, in denen das ausprobiert wird. Man muss auch ganz ehrlich sagen, dass so die allerersten Projekte häufig von den Marketingabteilungen bezahlt worden sind, weil die gesagt haben, ja, okay, Personalarbeit sind wir nicht so sicher, ob das taugt. Aber ist doch super, wenn wir über Social Media vermitteln können, dass unsere Leute hier E-Sport machen, und dann haben wir halt die Personalabteilung natürlich an Bord gehabt. Die haben gesehen, was dieses Tool leistet, und der nächste Auftrag kam dann von der Personalabteilung, und man muss auch ehrlicherweise sagen, die Menschen, die da am Anfang sehr, sehr schwer zu knacken sind, die haben natürlich auch über Jahre Verfahren entwickelt, die auch gut funktionieren, die wir auch gar nicht abschaffen wollen. Wir wollen die ja nur ergänzen über diesen Softskill-Aspekt, den wir erfassen. Die sind dann aber hinterher meistens die größten Fans, und das ist dann schon wieder schön, weil die haben dann auch das Auge dafür und wissen, wie wertvoll das ist, was da an Daten rauskommt. Dementsprechend machen wir die Arbeit dann auch gerne. Deshalb möchte ich das nicht so verstanden haben, als wenn die Menschen das Problem wären, aber es ist letztendlich die Situation, die wir da erst mal knacken müssen.

Bei vielen Leuten gibt es ein Klischee, wenn sie an Start-ups denken, dann sehen sie junge Leute, Tischkicker. Wie ist das denn bei euch?

Ja, wir sind zusammen 149 Jahre alt zu viert, da haben wir uns selber auch erschrocken, und wir haben keinen Tischkicker …

… ich hoffe, da ist kein Fünfjähriger dabei.

Nick ist sozusagen unser Küken, jetzt wird er böse sein, dass ich das gesagt habe, der ist 25, ich bin mehr als doppelt so alt, aber wir sind definitiv kein so richtig klassisches Start-up, weil wir eben doch eine etwas andere Zusammensetzung haben und weil wir eben auch bisher auf fremdes Kapital verzichtet haben. Wir sind jetzt, um es mal im Start-up-Deutsch zu sagen, am Anfang der Wachstumsphase. Proof of concept ist erfolgt, und jetzt fangen wir an, nach Investoren zu gucken oder nach weiteren Möglichkeiten zu wachsen, weil jetzt einfach die Möglichkeit da ist…

Also, jetzt hört der Spaß auf, jetzt müsst ihr endlich mal arbeiten…

(lacht) Naja, jetzt sind wir ja schon so weit, das wir anfangen, Leute einzustellen...

Habt ihr eigentlich schon mal gegenseitig gezockt und den anderen mal eingeschätzt?

Ja, natürlich haben wir das gemacht, wir haben zum Beispiel den Überflieger-Wettbewerb gewonnen. Da durfte man ja dann eine Person in die USA schicken, und das haben die drei anderen unter sich ausgespielt, das heißt, sie haben ein Overwatch-Turnier gemacht, und der Gewinner ist dann halt geflogen, und da ging es ja schon wirklich hart her.

So, weshalb eignet sich denn Schleswig-Holstein deiner Meinung besonders gut, um ein Start-up zu gründen?

Ja, da kann ich da anknüpfen, wo ich vorhin schon mal war. Es gibt wirklich eine sehr, sehr breite Unterstützung, und es betrifft nicht nur die Unterstützung seitens der Stellen, die vom Land geschaffen worden sind, Start-up-Verband, die gefördert sind und andere Stellen, sondern es betrifft auch ganz klar die Start-ups untereinander. Also, wenn es zum Beispiel ein Wettbewerb gibt, irgendwo, der für uns interessant ist, dann kriegen wir durchaus eine Mail auch von Unternehmen, die da auch teilnehmen, die sozusagen Konkurrenz sind, die uns aber sagen, das ist auch was für euch. Und auch mit Start-ups, mit denen wir ansonsten eigentlich inhaltlich gar nichts zu tun haben, hilft man sich zum Beispiel bei Markeneintragung oder ähnlichen Geschichten. Also, das ist wirklich ein ganz fantastisches Netzwerk, was da besteht, in Flensburg habe ich ja schon abgefeiert, die lisezwei, das ist an anderen Stellen aber auch so, und man fühlt sich da einfach in keinster Weise alleingelassen. Das ist wirklich ein sehr, sehr angenehmer Zustand, und es macht halt auch einfach echt Spaß. Es gibt viele tolle Formate und ist eine gute Zeit auch.

Das wird man wohl gerne hören da draußen, der ein oder andere, der sich überlegt, ob er ein Start-up gründen soll. Wir als Land helfen natürlich auch gerne. Trotzdem noch die letzte Frage. Wir sprechen in Schleswig-Holstein auch von der einmaligen Work-Beach-Balance. Was bedeutet für dich persönlich die Work-Beach-Balance?

Wenn man irgendwo einen stressigen Tag gehabt hat, und ich wohne auf Nordstrand, und spätestens der Moment, wo ich auf den Deich fahre, auf diesen Damm zwischen Festland und Nordstrand, und man hat diesen Blick in diese unendliche Weite, dann ist auch Entspannung.

Frank, es war super motivierend, mit dir zu sprechen. Ich liebe neue Ansätze. Ich liebe, wenn man total hinter einem Thema steht, wenn man engagiert ist, wenn man Feuer hat. Das habt ihr. Ich bin überzeugt, man muss auch hin und wieder neue Wege gehen. Das macht ihr, und deswegen kann es eigentlich nur erfolgreich werden. Wir freuen uns, in den nächsten Jahren davon zu hören. Wäre gut, wenn ihr die Firma nicht verkauft.

Da sind wir auch noch weit weg von. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch. Das hat echt Spaß gemacht, und ja, wir gucken mal, was geht.

Sehr gut! Danke