„Künstliche Intelligenz hat gerade in den vergangenen Jahren den Alltag von uns allen verändert.“

Claus Ruhe Madsen im Gespräch mit Christina Bober von der soventec GmbH

Christina Bober ist Geschäftsführerin der soventec GmbH. Soventec entwickelt Anwendungen für die Medizintechnik. Dabei bilden Christina Bober und ihr Team die Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Forschung. Das Unternehmen kooperiert mit Hochschulen wie der Universität zu Lübeck. Aktuell arbeiten sie außerdem an einem deutsch-dänischen Forschungsprojekt zum Einsatz von KI in der Altenpflege. 

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Claus Ruhe Madsen: Hallo aus dem schönen Kiel, und herzlich willkommen zu meinem Podcast „Blind Talk mit Madsen“. Ich bin Claus Ruhe Madsen und Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein. Auch heute spreche ich wieder mit Menschen aus dem echten Norden, die mit ihrer Arbeit einen wichtigen Teil zu unserer Wirtschaft beitragen. Es geht um das Leben und Arbeiten bei uns im Norden, um Herausforderungen und Chancen für Unternehmen, Cluster und Initiativen. Außerdem unterhalten wir uns über Innovationen made in Schleswig-Holstein. Bevor es richtig losgeht, versuche ich jedoch mit ein paar Fragen zu erraten, wer mich dieses Mal hinter dem Vorhang erwartet. Beschreibe das Unternehmen, für das du tätig bist, in nur einem Satz.

Christina Bober: Wir entwickeln und pflegen Software-Systeme.

Das war natürlich sehr aussagekräftig und damit kann ich schon erraten… Nee doch nicht! (lacht) Was ist eine typische Tätigkeit in deinem Beruf?

Ich sitze tatsächlich viel am Computer, unter anderem um mit Kund:innen und Kollegen in Videokonferenzen über den Stand von Projekten zu sprechen.

Welche Kenntnisse sind bei deiner Arbeit in deinem Unternehmen unverzichtbar?

Unverzichtbar? Also, grundsätzlich würde ich sagen ein Verständnis von Zahlen und logischem Denken ist von Vorteil. Noch wichtiger ist aber sicherlich Kommunikationsfähigkeit und ein Verständnis von zwischenmenschlichen Dynamiken.

Und für welchen Wirtschaftssektor seid ihr vorrangig aktiv?

Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen, vor allem im Bereich Life-Sciences und Medizinproduktentwicklung.

Welche digitale Innovation hat dich zuletzt begeistert und überrascht?

Da würde ich tatsächlich sagen, das war ChatGPT & co. Auf einmal stand das allen zur Verfügung und hat den Schulalltag unserer Kinder, unseren Büroalltag insgesamt das Leben verändert.

Weißt du, wie schlaue Lehrer darauf reagieren?

Sie binden es ein und lehren die Schüler:innen, damit umzugehen?

Ja, auf der einen Seite, aber wie kann man ChatGPT ausschalten, also verhindern, dass man das tatsächlich gut nutzen könnte als Mogelversion für den Unterricht?

Keine Hausaufgaben aufgeben?

Nein, man kann tagesaktuelle Aufgaben stellen, weil das kennt ChatGPT nicht. Also von daher, das finde ich total interessant, und ich höre jetzt immer mehr von meiner Tochter aus der Schule, dass sie Aufgaben bekommen zu einem Ereignis aus dem Wochenende. Das ist wirklich ziemlich clever. Nun gut, clevere Schülerinnen und Schüler werden da sicherlich auch Methoden finden, trotzdem mit Hilfsmethoden klarzukommen. Mein großes Problem ist, es war zumindest für mich als Zuhörer sehr allgemein, und deswegen muss ich wohl leider schon wieder zugeben, dass ich nicht raten kann, wer du bist. Also dann würde ich sagen, lüften wir den Vorhang, vielleicht verrätst du mir deinen Namen.

– Vorhang wird gelüftet –

Mein Name ist Christina Bober.

Hallo Christina, herzlich willkommen.

Hallo Claus.

Und was macht denn die Christina?

Ich bin Geschäftsführerin der soventec GmbH. Wir entwickeln tatsächlich Software-Systeme, und wir sind ein kleines Unternehmen, das heißt, wir sind Dienstleister für andere Unternehmen.

Was ist der Kern eurer Arbeit, und wer sind denn eure Kunden?

Der Kern unserer Arbeit ist tatsächlich die Entwicklung und Weiterentwicklung von Software-Systemen. Auf der einen Seite haben wir ein eigenes Software-Produkt, das vor allem dafür genutzt wird, medizinische Proben und Forschungsproben einzulagern, und dann ist ein sehr großer Bereich unserer Tätigkeit einfach das Dienstleistungsgeschäft. Das heißt, wir entwickeln Software-Lösungen für unsere Kunden. Zum Beispiel Medizinproduktehersteller oder Laborausstatter haben eine Anforderung, ein Problem, dass sie selbst nicht mit den personalen Ressourcen lösen können, und wenden sich an uns, und wir unterstützen dann zum Beispiel bei der Spezifikationsentwicklung, beim Projektmanagement. Wir entwickeln tatsächlich dann auch Software, wir liefern, wenn notwendig, regulatorische Unterlagen, und für einige unserer Kunden begleiten wir dann auch den ganzen Produktlebenszyklus. Das heißt, unsere Kunden sind dann namenhafte Medizinproduktehersteller oder auch kleine Medizinproduktehersteller, die keine eigene Software-Abteilung haben.

Ausschließlich aus Schleswig-Holstein, Deutschland, Europa, der Welt oder auch außerhalb?

Nein, tatsächlich ist es so, dass viel Geschäft erst ab Hamburg anfängt. Also in Hamburg haben wir viele Kunden, und wir sind auch international tätig. Das hat sich dann aus Projekten ergeben. Wir haben auch US-Kunden oder auch im Nachbarumfeld, also zum Beispiel in Frankreich oder Österreich.

Das klingt kompliziert. Ihr habt euch unter anderem auf den medizinischen Bereich fokussiert. Warum und welche Lösungen wurden hier bereits dann schon entwickelt? Weil, man würde ja denken, bei Digitalisierung kann man ja im Grunde genommen für jeden etwas machen.

Ja, das stimmt, das kann man denken, und ich würde sagen, es stimmt auch. Vieles kann man eigentlich in jedem Bereich einsetzen. Aber diesen Schwerpunkt, diesen Fokus, den haben wir… der ist irgendwie historisch gewachsen. Wir hatten eben gerade in den ersten Jahren einen wichtigen Kunden aus dem Bereich Life-Science in Hamburg, und ich würde sagen, man kann schon gut zurückverfolgen, dass sich daraus einfach ein sehr gutes Netzwerk gebildet hat. Das heißt, daraus haben sich große Teile unseres beruflichen Netzwerkes entwickelt, und auch viele Projekte haben sich daraus weiterentwickelt. Und dann irgendwann haben wir entschieden, weil wir ohnehin mit Medizinprodukteentwicklern zusammengearbeitet haben, dass wir uns auch nach 13485 zertifizieren lassen.

Das kenne ich. Was ist das nochmal genau?

Ja, das ist die ISO-Norm, an die sich Medizinproduktehersteller halten müssen.

Jetzt wissen es alle.

Jetzt wissen es alle, genau.

Das ist doch großartig. Welche besondere Herausforderung bringt es denn mit sich, Software für genau diese medizinischen Bereiche zu entwickeln?

Es bringt auf jeden Fall besondere Herausforderungen. Für uns steht in der Regel der Patient im Vordergrund. Das heißt, wann immer wir eine Software entwickeln, ist klar, wenn es um Patientendaten geht, um medizinische Daten, dann müssen wir uns sehr streng auch an Datenschutz halten, einfach um den Patienten zu schützen. Und im Bereich Medizinprodukteentwicklung geht es dann auch immer noch um die faktische Patientensicherheit. Das heißt, bei der Entwicklung wird immer die Frage gestellt, kann diese Technologie, kann dieses Produkt in irgendeiner Art und Weise den Patienten schaden, also ob es das Leben ist, das in Gefahr ist, oder ob einfach die Gesundheit durch dieses Produkt gefährdet werden kann? Ich würde also sagen Risikomanagement vom ersten Moment an ist eine große herausfordernde Tätigkeit, und daraus abgeleitet ist dieser Bereich auch sehr reguliert. Natürlich, der Patient muss geschützt werden und darum werden viele Regulatorien geschrieben und in den letzten Jahren hat sich das sehr verschärft und ich würde sagen, da sind wir alle gerade herausgefordert, uns an diese Regulatorien auch zu halten und trotzdem Innovationen in den Markt zu bringen.

Absolut, das macht es schwierig. Andererseits sprichst du, glaube ich, was an, was für Bürgerinnen und Bürger sehr wichtig ist, nämlich auch der Datenschutz, also dass auch das Produkt natürlich dafür sorgt, weil das sind, glaube ich, sehr sensible Daten, wenn es um Gesundheit geht. Wenn ich es richtig verstanden habe, habt ihr vor kurzem mit der Uni Lübeck ein Projekt abgeschlossen. Was genau wird denn da erforscht?

Ja, das war unser Projekt EMECK. Dort haben wir mithilfe von künstlicher Intelligenz im Bereich Krebsfrüherkennung geforscht. Es ging vor allem um das Pankreaskarzinom, also Bauchspeicheldrüsenkrebs und mithilfe unserer wissenschaftlichen Partner wurden Proben gesammelt, analysiert, massenspektrometrisch analysiert und wir durften auf Grundlage dieser Daten dann eine KI-Anwendung entwickeln. Es ging vor allem darum rauszufinden, ob bestimmte Biomarker einen Einfluss darauf haben, ob sich ein Karzinom entwickelt oder nicht. Das heißt, es war für uns ein superspannendes Projekt, und wir arbeiten auch immer noch mit der Universität zusammen und arbeiten auch an Folgeprojekten und da ist ja noch viel Musik drin.

Klingt super, und als nächstes soll eine Zusammenarbeit mit dänischen Partnern anstehen. Was für ein Projekt ist denn das?

Ja, das ist ein Interreg gefördertes Projekt mit Dänemark zusammen und dort kooperieren wir mit dänischen Pflegeeinrichtungen und deutschen Pflegeeinrichtungen und dort soll tatsächlich auch künstliche Intelligenz in die Anwendung kommen. Das heißt, wir versuchen Daten zu sammeln, zu strukturieren, zu analysieren und auch Systeme so zu trainieren, dass sie in Pflegeeinrichtungen angewendet werden kann. Das soll zum Beispiel dazu führen, dass man Wünsche und Bedürfnisse von Bewohner:innen besser berücksichtigen kann, dass man Kompetenzen von Angestellten besser berücksichtigen kann und dass man insgesamt Informationen, die man hat, für die Pflege besser verwenden kann.

Kann man damit deutlich effizienter werden, oder kann man für den Patienten viel mehr Service ermöglichen, vielleicht auch customized? Also besser abgestimmt auf den ...

Genau darum soll es vor allem gehen, customized ist guter Begriff dafür, dass Informationen, die da sind, dass die auch nicht auf den Boden fallen, sondern dass sie aufbereitet werden und das Pflegepersonal darauf leicht Zugriff hat und ich freue mich total auf die Zusammenarbeit. Das sind ganz spannende Partner auf dänischer Seite, auf deutscher Seite und ich glaube, dass wir da unglaublich viel voneinander lernen können und dass das ein ganz spannendes Projekt wird.

Das hoffe ich auch, weil jetzt hast du ein paar Themen bei mir angesprochen, die da gleich ein paar Trigger auslösen. Zum einen gab es lange Zeit in Dänemark eine Diskussion, warum es so schwierig ist Pflegekräfte zu kriegen. Es ging weniger um die finanziellen Rahmenbedingungen, sondern um warme Hände. Auf der einen Seite viel zu viel Regulatorik, zu viel Papier, zu viel Statistik. Warme Hände sind Hände, die sich um Menschen kümmern und man hat gesagt, kalte Hände sind Papier. Und jetzt hast du eben gesagt, wir sind unterwegs in zu viel Regulatorik. Wenn wir natürlich mit künstlicher Intelligenz, mit viel, ja Automatisierung es hinbekommen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich mehr um die Menschen kümmern, dann klingt das echt auch wie ein sehr schönes Projekt, das ihr da in die Wege leitet. Warum sollten aus deiner Ansicht mehr Frauen in der digitalen Wirtschaft arbeiten?

Ja, da habe ich eine Gegenfrage: Warum nicht? Auf jeden Fall sollten mehr Frauen in der digitalen Wirtschaft arbeiten.

Also, die Gegenfrage brauchst du mir gar nicht stellen. Ich bin Arbeitsminister, ich würde mir wünschen, dass mehr Frauen im Berufsleben stärker einsteigen. Wir haben tatsächlich ein Wahnsinnspotenzial in Schleswig-Holstein, wo Vollzeit noch nicht angenommen ist, wo Frauen auch schwierig manchmal zurück ins Berufsleben finden. Frauen haben ja auch das an sich, dass sie sich selber sehr gut einschätzen können, in Teilen sogar etwas schlechter selber einschätzen und Männer das Gegenteil, die meinen, die können alles, auch wenn sie es nicht können, und deswegen ist es umso wichtiger, dass wir gerade kompetente Frauen hier im Land haben, die auch bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, einzusteigen und mitzumachen. Aber ich finde, in den letzten Jahren haben wir eine gute Entwicklung, aber wir müssen es noch stärker machen. Das ist ein Potenzial, das dürfen wir nicht liegen lassen.

Absolut also, ich würde auch sagen, gerade in der Digitalwirtschaft können wir noch sehr viele Perspektiven gebrauchen und Frauen sind definitiv unterrepräsentiert. Und je diverser ein Team ist, je diverser Ideen und Perspektiven sind, desto besser wird nachher auch das Projektergebnis. Insofern wäre es sehr schön, wenn wir das Potenzial weiter ausnutzen könnten.

Was macht denn Schleswig-Holstein für euch als Unternehmen zum perfekten Standort, aber auch für dich persönlich?

Ja, für uns als Unternehmen, tatsächlich wohnen wir alle hier in Schleswig-Holstein, und wir haben auch sehr interessante Kunden und Partner hier in der Region. Das heißt, wir sind gut vernetzt hier, was es zu einem guten Standort macht. Ich mag auch die unaufgeregte und authentische Art, wie wir miteinander umgehen und für mich persönlich: Ich bin geborene Schleswig-Holsteinerin und ja, ich kann das gar nicht alles aufzählen. Ich würde sagen, was ich an Schleswig-Holstein wirklich liebe, ist der Wind.

Na dann ist das Land ja wirklich liebenswert. Das passt eigentlich ganz gut, weil ich fahre sehr viel Rennrad und ich mag total gerne Gegenwind. Das verstehen viele Leute nicht so. Ich versuche das ja immer, optimistisch zu formulieren. Das ist ja nichts anders als Rückenwind, nur dass er von vorne kommt. Und letztendlich ist der Wind der Berg des Nordens. Wir haben ja keine Berge, und deswegen braucht man zum guten Trainieren einen vernünftigen Gegenwind, und ich stelle fest meine eineinhalb Jahre in Schleswig-Holstein helfen mir zumindest ein bisschen bei meiner Radform. Deswegen, ich freue mich auch über den Wind. Ich hätte trotzdem noch ein, zwei Fragen an dich. Wenn du in einem Bereich deines Lebens KI etablieren könntest, in welchem Bereich wäre das und warum?

Das finde ich eine wirklich schwere Frage. Also etablieren, heißt ja auch so ein bisschen festsetzen, zur Gewohnheit werden und ich habe das Gefühl, ich würde lieber sortieren wollen, ob ich KI wirklich in all den Bereichen, die es in den letzten Jahren eingezogen ist, in der Art und Weise haben möchte. Also das fängt ja an… Meine Lauf-App analysiert meine Läufe auf eine Art und Weise. Will ich das? Hausaufgaben mit den Kindern haben sich sehr verändert. Wenn sie fragen: „Hast du Ideen?“ Dann setzen wir uns gemeinsam an den Rechner und lassen uns inspirieren von ChatGPT und ähnlichen. Im Büro hat KI sehr viel Einfluss. Ich würde sagen, dieses Bewerten, was finde ich wirklich gut, was hilft mir wirklich und wo brauche ich das vielleicht doch nicht? Das wäre im Moment eher mein Anliegen.

Das finde ich eine supergute Erklärung, einen guten Ansatz. Ich persönlich finde immer, wenn etwas da ist, dass ich nicht so viel hinterher fragen muss, dann ist es mir schon mal ne KI wert letztendlich. Aber man muss aufpassen, man muss bei dem ganzen natürlich kritisch bleiben, gerade auch für die Generation, die nach uns kommen, die all das, was sie lesen oder in Kurzfilmen sehen, für Wahrheit halten. Ich habe noch eine letzte spontane Frage an dich, und zwar, auf welche Smartphone App möchtest du nie wieder verzichten und warum?

Da würde ich trotzdem meine Lauf-App nehmen.

Ah, und warum?

Ich finde das mega spannend zu sehen, was habe ich im letzten Jahr erreicht, was ist der Plan für die nächsten Wochen? Also, das hat mich sehr bereichert.

Großartig! Ich sage vielen lieben Dank für das sehr spannende, sehr interessante Gespräch und nochmals: Ich bewundere diesen Geist, den Spirit in euer Team und so hören, dass das mit so wenigen Leuten, so viele spannende Projekte, das ist gut für Schleswig-Holstein, dass wir euch haben. In der nächsten Folge vom Blindtalk mit Madsen erwartet uns wieder ein spannender Gast aus Schleswig-Holstein. Bis dahin, tschüss, und mach's gut!

Vielen Dank für das Gespräch, auf Wiedersehen.

Wiedersehen.