"Das ist die Kunst: bedarfsgerecht zu produzieren und nicht statistisch zu produzieren."

Bernd Buchholz im Gespräch mit Nils Offer.

Nils Offer ist Mitgründer des Start-ups food21 aus Kayhude. Mit Wirtschaftsminister Bernd Buchholz spricht er darüber, wie food21 mit einer Software gegen die Lebensmittelverschwendung vorgeht, welche Herausforderungen die Ernährungsbranche mit sich bringt und wann er seine besten Ideen hat.

 

 

 


 

 

Bernd Buchholz: Moin aus Kiel und herzlich Willkommen zu einer neuen Folge meines Podcasts „Echte Chancen“. Mein Name ist Bernd Buchholz, bin Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein und habe diesen Podcast, um Menschen zu befragen, mit ihnen zu sprechen, die in Schleswig-Holstein aus Schleswig-Holstein besondere Dinge tun, die etwas Besonderes machen, in besonderen Branchen unterwegs sind, als Forscher, als Unternehmer oder als was auch immer. Jedenfalls was mit Wirtschaft zu tun haben. Und ein Beispiel dafür sind, dass in diesem Land ganz viele innovative Themen am Start sind, die man vielleicht gar nicht so sehr hinter Schleswig-Holstein vermutet. Heute Abend ist bei mir Nils Offer. Nils Offer ist eigentlich ein ganz normaler IT-Unternehmer gewesen. Herr Offer, schön, dass Sie da sind.

Nils Offer: Ja, vielen Dank.

Ein IT-Unternehmer, der ursprünglich mit seiner Firma was macht in Schleswig-Holstein?

Ursprünglich sind wir im Bereich Dokumenten-Management tätig und beraten Unternehmen des Mittelstandes dabei, digitale Geschäftsprozesse abzubilden im Verwaltungsbereich.

Und das machen Sie schon?

Seit ungefähr 20 Jahren,

Also 20 Jahre in einem IT-Geschäft, das eigentlich wahrscheinlich auch ganz gut läuft?

Ja, wir sind 40 Mitarbeiter und am Standort in Kayhude tätig.

In Kayhude, das ist jetzt auch nicht der Nabel der Welt, aber…

Nein, aber fast. (lacht) Es ist ja nah bei Norderstedt an Hamburg dran und wir werden da immer noch als Metropolregions-Mitglied sehr gut wahrgenommen.

Kayhude gehört zur Metropolregion, ist, so ich sage mal, im weiteren Hamburger Rand anzusiedeln. Also schon irgendwo mit der Nähe zur Metropole, aber doch ein ganz schönes Stückchen raus im Kreis Segeberg.

Ja, wir verbinden wirklich die Vorteile in der Achse vom Hansebelt zusammen mit der Natur, dann, naturnahes arbeiten, aber werden trotzdem im Bundesgebiet wahrgenommen als Hamburger Unternehmen.

Das schadet auch nicht. Ehrlich gesagt, dem schleswig-holsteinischen Wirtschaftsminister macht das überhaupt nichts aus. Wir sind eine gemeinsame Wirtschaftsregion und als Metropolregion wollen wir ja auch wahrgenommen werden. Gab es einen besonderen Grund, warum Sie in Kayhude ihr ursprüngliches Unternehmen eröffnet haben?

Ja, das war einfach die persönliche Verbindung. Ich komme aus Kayhude, bin dort aufgewachsen, letztendlich und…

Haben dort gegründet, wo Sie groß geworden sind.


Genau. Und hatte dort die Gelegenheit dann eben bekommen, ein Grundstück zu bekommen, direkt an der Bundesstraße und ja.

Seit 20 Jahren erfolgreicher IT-Unternehmer in Kayhude. Aber deshalb, Herr Offer, sind Sie nicht hier, sondern Sie sind hier, weil aus diesem Unternehmen ein Ableger, ein weiteres Start-up, gegründet worden ist mit dem klangvollen Namen „food21“. Sie haben ein Start-up gegründet aus einem bestehenden Unternehmen, das sich offensichtlich mit Ernährung auch beschäftigt, im weitesten Sinne. Und die Frage ist: Worum handelt es sich bei food21? Und was macht food21?

Bei food21 geht es um die Idee, mit Absatzprognostik die Lebensmittelverschwendung einzudämmen. Uns ist diese Idee gekommen über einen Mitarbeiter, der auch in einem sehr bekannten Start-up-Zentrum in St. Peter-Ording bei der Inga Wiele an einem Barcamp teilgenommen hat auf der Suche nach Innovationen letztendlich, und einen Mitgründer, den Herrn Rantzau, dort getroffen hat. Und der ist sehr beschäftigt mit dem Thema Lebensmittelverschwendung und so fanden dann letztendlich Technologie und dieses Ziel der Lebensmittelverschwendung zusammen. Und wir haben nach Lösungen gesucht, wie wir im Einzelhandel und in der Produktion die Sache optimieren können. Und ja, das Ganze fahren wir dann mit dem Ansatz, wie man so schön sagt, von künstlicher Intelligenz. Es geht letztendlich darum, Massendaten auszuwerten.

Das müssen wir gleich noch mal vertiefen. Erst mal müssen wir noch mal zurückkommen zu diesem eigentlichen Akt: Wie kommt man auf die Idee, ein solch neues Unternehmen zu gründen? Bei einem Barcamp in St. Peter-Ording, was ein schönes Ambiente ist und was man mit Strandspaziergang verbindet, nicht unbedingt mit Barcamps. Da haben Sie andere kennengelernt, die dann mit ihnen gemeinsam eine Idee entwickelt haben?

Genau, so fing das Ganze an und wir haben uns im Nachgang mehrfach damit noch beschäftigt und auseinandergesetzt und haben festgestellt, dass es eben diese hohen Raten an Lebensmittelverschwendung gibt. Wir reden hier über ungefähr fünf Prozent des Einzelhandelsumsatzes des jährlichen von 165 Milliarden Euro landen leider im Abfall dann wieder…

Gut, wir reden über Lebensmittelverschwendung nicht im Privathaushalt.

Nein.

Die gibt es reichhaltig auch.

Ja.

Das wissen wir, wie viele Lebensmittel gekauft, aber dann nachher irgendwie direkt aus dem Kühlschrank oder woher auch immer weggeschmissen werden. Sondern wir reden über Lebensmittelverschwendung, in Tüttelchen, also Lebensmittelvernichtung eher, im Einzelhandel.

Im Einzelhandel und auch in der Produktion. Genau, das sind die zwei Bereiche, die wir betrachten. Wir sind gestartet mit dem Fokus auf dem Einzelhandel, weil diese Zahlen haben uns doch sehr schockiert. Die waren mir zum Beispiel auch vorher nicht so genau bekannt.

Sagen Sie mal so eine Zahl.

Ja, also ungefähr 6,5 bis 6,6 Milliarden Euro werden im Jahr weggeworfen im Einzelhandel direkt. Kommen gar nicht mehr aus dem Laden raus.

Lebensmittel im Wert von 6,6 Milliarden Euro?

Nur in Deutschland.

Nur in Deutschland. Kommen in den Handel und werden vom Handel direkt entsorgt.

Entsorgt, genau.

Das ist eine große Zahl. Bezogen auf die Gesamtanzahl der Umsätze des Lebensmittelhandels würde man jetzt wahrscheinlich das relativieren müssen, denn…

Ja, das sind 165 Milliarden, da reden wir jetzt ungefähr über vier, fünf Prozent.

Also vier bis fünf Prozent, die wirklich direkt aus dem Ladenregal in die Abfalltonne wandern. Und da hat man natürlich das Gefühl, das müsste sich doch positiv verändern lassen.

Genau, das war der Gedanke dahinter. Und wir haben gedacht, mit unseren technischen Möglichkeiten im Bereich von künstlicher Intelligenz, Datenanalyse, könnten wir der ganzen Sache begegnen.

Und da sind wir jetzt bei dem eigentlichen, bei der eigentlichen Geschäftsidee: Die Geschäftsidee heißt, dass Sie mit künstlicher Intelligenz quasi Absatzprognosen erstellen.

Ja, genau so sieht das aus. Und wir helfen dann dem Einzelhandel letztendlich genauere Planungen zu machen, was gebraucht und verkauft wird. Gerade im verderblichen Bereich ist das sehr interessant. Also man muss sich vorstellen, es gibt Lebensmittel, die haben eine Haltbarkeit unter einem Tag und welche, die sind ein bisschen länger haltbar. Wenn wir jetzt an Obst, Fleisch, Gemüse, Milchprodukte so etwas denken. Und dann gibt es…

Was für Lebensmittel muss ich mir vorstellen von unter einem Tag Haltbarkeit?

Das sind warme Lebensmittel beziehungsweise diese heutigen Mittags-Food-Gerichte.

Achso, alles klar, also zubereitet.

Zubereitete Gerichte, genau. Und dann haben wir natürlich die lang haltbaren Sachen bis zur Konserve hin, die dann nicht relevant sind.

Gut die sind nicht Ihr Problem.

Die sind nicht unser Problem, genau.

Die sind auch wahrscheinlich nicht das Haupt-Vernichtungsproblem im Lebensmittelbereich, sondern eher die verderblichen innerhalb dieser, ich sag mal so drei bis fünf, sieben Tage.

Ganz genau.

Insbesondere Obst, Gemüse, Milchprodukte, das berühmte Kühlregal, die berühmte Obstabteilung. Fleisch, möglicherweise.

Backwaren.

Und Backwaren.

Backwaren sind auch Tagesprodukte.

Richtig, klar. So und jetzt versuche ich zu verstehen, wie man auf die Idee kommt eine Absatzprognose zu erstellen. Denn der Bäcker, der, wir machen es jetzt mal im Kleinen. Der Bäcker sagt sich ja auch: am Dienstag muss ich weniger Brötchen backen als am Samstag, weil am Samstag sind mehr Leute, die Brötchen essen und einkaufen fürs Wochenende. Also produziert der ja schon nach einer Absatzprognose, die er jetzt mal nicht mit künstlicher Intelligenz erhoben hat, aber die ja quasi aus einer Geschäftsentwicklung kennt.

Genau. Gerade der Bäcker ist ein schönes Beispiel, was wir auch erprobt haben bei uns, mit einem Bäcker aus dem Ort in Kayhude, der auch gar nicht so klein ist, der hat auch sechs Filialen. Und dort möchte man meinen, der hat langjährige Handwerkserfahrung und weiß sehr genau, was er produzieren muss und was er braucht. Aber er plant dabei einige Faktoren nicht ein. Er kann immer aus seiner Erfahrung heraus arbeiten und hat natürlich auch heute schon Software im Einsatz, die ihm gewisse Vorschläge macht. Und in einem Test hat sich herausgestellt, dass wir speziell dort nach fünf Wochen Prognose und Einlesen von verschiedenen Daten aus den Vergangenheitsjahren eine Verbesserung der Vorhersage geschafft haben um 50 Prozent.

Um 50 Prozent? Also, der Bäcker mit seiner Erfahrung über das, was er zu produzieren hat, wird jetzt um 50 Prozent verbessert, dadurch, dass Sie eine andere Analyse und eine Absatzprognose erstellen.

Genau, wir haben Einflussfaktoren mit hinzugenommen, wie Wetterdaten, Ferienzeiten, also externe Einflüsse, die wir hinzugenommen haben. Wir haben uns Substitute angeguckt, das heißt…

Moment, Moment, Moment, da müssen wir noch mal ran. Also, die Wetterdaten: Ich spinne jetzt mal und sage, wenn es am Wochenende schön ist, wird im Zweifel mehr Pflaumenkuchen gegessen, als wenn das Wetter am Wochenende schlecht ist und das weiß Ihr System über Wetterdaten und die vielen Daten, die da drinstecken – ungefähr so.

Ja ungefähr so. Es kommen aber die Effekte hinzu: Wo bewegen sich die Leute hin bei schönem Wetter? Gehen sie vielleicht alle an den Strand? Wenn man jetzt eine Lage in der Nähe von Hamburg betrachtet, dann haben wir eine Tendenz, dass alle Richtung Ostsee fahren. Und die Kunden verschwinden.

Die Kunden verschwinden und man hat eine viel zu hohe Prognose vorgenommen und wenn das Wetter eher trübe ist, dann kauft man eher beim eigenen Bäcker vor Ort. Und deshalb ist da der Absatz in Wahrheit höher.

Zum Beispiel. Genau.

Und das können Sie über die vielen verschiedenen Parameter, die Sie da jetzt einspeisen…also Wetterdaten spielen, eine Rolle bei Ihnen.

Wetterdaten, Verkehrsdaten spielen auch eine Rolle.

Verkehrsdaten – in welcher Weise?

Wir konnten nachweisen, wir hatten auf der B 432, wo der Laden liegt in Norderstedt, was 12 Kilometer entfernt ist, eine Baustelle, die zu sehr hohen Verkehrsbehinderungen geführt hat in dem Zeitraum. Das hat den Absatz beeinflusst, der ist fast um 15 Prozent gesunken.

Das ist jetzt, der Verkehrsminister ist betroffen an dieser Stelle. Das wissen wir aber natürlich, dass das Einfluss hat. Aber Sie können ja den Einfluss nicht nur darstellen, sondern voraussagen.

Genau, weil wir aus diesen Vergangenheitsdaten eben Prognosen in die Zukunft ableiten. Das ist letztendlich das, was wir machen. Und unser Ansatz geht dann auch noch größer. Was wir eigentlich machen möchten, ist die Daten auf aggregieren und einen sogenannten Community-Ansatz damit verfolgen. Das heißt, wir wollen nicht nur den Bäcker einzeln betrachten mit seinen Daten, sondern spannend wird das ganze Thema, wenn ich mir viele Bäckereien angucke und angucke, ob sich das bei jedem Bäcker gleich verhält oder was ich davon lernen kann. Das sind eigentlich die spannenden Sachen, aber auch dort fehlt der Austausch zu den anderen Bäckereien letztendlich.

Das heißt, Ihr Produkt ist eine Software?

Ja.

Keine Dienstleistung, sondern eine Software.

Es ist, genau das unterscheidet uns. Wir sind eigentlich dabei, eine Software aufzusetzen und zu erstellen, die dann eben die Daten zusammenführt, anonymisiert natürlich und Datenschutz konform, von verschiedenen Händlern oder Produzenten und darüber neue Verknüpfungen und Informationen für die Prognostik herstellt. Und das ist eigentlich genau die Innovation des ganzen Themas, diese Verknüpfung mit all ihren Herausforderungen, die das natürlich bietet.

Mit den Herausforderungen, die ja ehrlich gesagt zunächst mal zu analysieren: Welche Daten haben denn tatsächlich Einfluss auf den Absatz? Zunächst mal auch eine ganze Menge an Forschung und Entwicklung oder Überprüfung jedenfalls.

Genau das ist, wir haben sehr viel Überprüfungen gemacht jetzt in der ersten Zeit. Wir müssen aber auch sehen, die Herausforderung ist mehr begründet in den Unternehmen selbst. Also die scheuen sich natürlich, ihre Daten zu teilen mit anderen und haben Angst davor.

Zu den Herausforderungen in dieser Richtung kommen wir gleich noch. Mich interessiert noch mal mehr, welche Daten sind das? Sie haben gesagt Verkehrsdaten. Verstehe ich. Wetterdaten. Was sind noch weitere Wichtige?

Feriendaten, Ferienzeiten sind noch externe Einflussfaktoren. Veranstaltungen. Diese Zusammenhänge kennt aber eigentlich auch jeder.

Klar, und trotzdem müssen Sie ja für die Produktion oder für das Einkaufen in einem Lebensmittelgeschäft dann berücksichtigt werden. Das ist die Verknüpfung von künstlicher Intelligenz. Das bedeutet große Datenmengen, die Sie brauchen, mit einem dann auch immer weiter lernenden System –  je mehr Daten da reinkommen, umso besser wird es.

Ganz genau. Ganz genau so sieht es aus. Dass System lernt fort und wir brauchen ganz viele Daten und das ist genau die Herausforderung.

Und Sie bräuchten eigentlich viele, die teilnehmen und ihre Daten alle liefern. Dann hätten Sie die besten Ergebnisse.

Ganz genau.

Und nun haben Sie selber schon von den Herausforderungen gesprochen, dass nicht jeder Lebensmittelhändler oder Bäcker gerne mitmacht, weil er damit dann das Gefühl hat, Daten preiszugeben.

Ja, das ist letztendlich ein Problem, wenn wir auch gerade in den großen Lebensmittelketten denken, die hüten ihre Daten sehr stark, ihre Verkaufsdaten. Und dadurch, dass sie die nicht preisgeben, kommen sie nicht zur Produktion, zum Produzenten und dadurch produziert er immer gegen so ein bisschen, wir sagen es ist eine „Blackbox“. Also er produziert immer in ein Zentrallager hinein, was nicht den tatsächlichen Absatz wiedergibt.

Gut, wobei, aber das ließe sich ja durch Anonymisierung der Daten doch durchaus sicherstellen, dass man sagt: So, pass mal auf, die kommen da rein in das System, werden aber irgendwie nicht mehr identifizierbar auf einzelne Absender zurückführbar sein. Könnte man das nicht regeln so?

So argumentieren wir das und so sprechen wir auch mit denen, aber das findet noch keinen großen Anklang im Lebensmitteleinzelhandel. Gerade wenn ich mir die Top Player angucke im Markt und man muss sich vorstellen, dass der Preis eines verderblichen Gutes manchmal so niedrig ist, dass es schlimmer ist, wenn es nicht da ist, als wenn ich es wegschmeiße für den Einzelhändler. Also ein Nicht-Verkauf ist teurer als eine Vernichtung und das spielt natürlich auch noch mit rein in dieses ganze Szenario.

Also wir lernen dabei, dass das Wort Verschwendung dann eher etwas ist, das natürlich auch mit dem Geschäftsmodell des Einzelhändlers zu tun hat, der sagt: also, ein leeres Regal vorzufinden ist noch schlimmer, als etwas vorzufinden, was er dann hinterher vielleicht nicht verkaufen kann.

Ja, das mussten wir also auch lernen auf der Strecke. Und das ist die Kunst, um die es eigentlich geht, bedarfsgerecht zu produzieren und nicht statistisch zu produzieren, so wie es heute stattfindet. Wenn wir genau den Bedarf kennen, den die Kunden haben, dann kommen wir zu dem Punkt, dass wir bedarfsgerecht produzieren können und die Lebensmittelverschwendung senken können. Sie ist letztendlich nur aus einer Fehlplanung zwischen Bedarf und Produktion entstanden am Ende und der Handel hat diese Schlüsselrolle, dass er den Kunden vor sich hat. Also er ist, wie man so schön auf Neudeutsch sagt, das Gate zum Kunden.

Der Erkenntniszuwachs durch ihre Software ist ja erst mal positiv, im Sinne von: Ich kann besser steuern, wenn ich weiß, wie die Bedarfe tatsächlich sein werden. Wo steht food21 als Start-up heute? Ist das die Entwicklung eines Prototyps mit Ihrem Bäckermeister in Kayhude zusammen? Oder sind Sie schon so weit zu sagen, eigentlich haben wir eine Software in einer Größenordnung, die könnten wir heute großen Lebensmittelunternehmen gut verkaufen?

Nein, wir sind noch ein bisschen früher. Wir haben begonnen wirklich im April 2000 als Idee und haben dann ein halbes Jahr an dem Accelerator Gateway 49 teilgenommen und sind dort aufgenommen worden.

Was haben Sie gerade gesagt? 2000? Sie meinten…?

Entschuldigung, im April 20.

Wir sind also im April 2020.

Genau.

Und da entsteht die Idee.

Da entsteht die Idee. Und wir haben uns dann beworben eben in Lübeck beim Gateway 49-Programm und konnten mit unserer Idee auch unter die Top sechs des ersten Batches kommen.

So, jetzt müssen wir das noch erläutern. Gateway 49 ist ein Accelerator, den wir unterstützen als Wirtschaftsministerium, in Lübeck, bei dem junge Start-ups in einem Batch von sechs Monaten mit viel Unterstützung noch mal, ich sage mal ein bisschen beschleunigt, gechallenged werden, herausgefordert werden, ihre Unternehmenspräsentation, aber auch ihre Kennzahlen, ihre Geschäftsmodelle zu hinterfragen und zu überarbeiten. Und da sind Sie ins Programm gekommen.

Da sind wir ins Programm gekommen und sind dort als Dritter rausgegangen von dem ersten Batch, also haben dort den dritten Platz belegt. Und hatten wirklich eine großartige Chance uns zu challengen, genau wie Sie das gesagt haben. Also es wird sehr viel Know-how bereitgestellt. Wir haben den Food Regio Zugang dort bekommen.

Food Regio muss man erklären, ist unser Cluster der Unternehmen der Lebensmittelbranche im Lande Schleswig-Holstein. Da sind ganz viele Ernährungsunternehmen zusammengeschlossen, die Lebensmittel in der Regel produzieren, aber eben auch andere dazu, dabei. Und mit denen haben, da haben Sie den Zugang darüber bekommen.

Da haben wir Zugang darüber bekommen und konnten unsere Herangehensweise letztendlich validieren, challengen und haben dort auch mit einigen sprechen können, die uns auch Daten gegeben haben zum Validieren und Testen. Und daraufhin haben wir ein sogenanntes Proof of Concept gemacht.

Und da steht es jetzt.

Da steht es jetzt, dass wir das validiert haben. Und im Moment ist es so, dass wir jetzt Investoren benötigen, um eben diese Plattform, die wir nachher brauchen, wo alle ihre Daten reinspielen sollen und die dann auch wieder zurückbekommen, zu erstellen. Das ist sehr kapitalaufwendig.

Das heißt, wir sind immer noch in der Seed-Phase.

Wir sind immer noch in der Seed-Phase, wie es so schön heißt.

Da steht food21. Wenn Sie nochmal Revue passieren lassen, so dieses Start-up-Zeit jetzt seit anderthalb Jahren, Sie sind ja in Wahrheit ein gestandener Unternehmer: Was waren die besonderen Herausforderungen in dem Gründen einer solchen neuen, innovativen Company?

Die Herausforderungen waren zum einen, ich, wir nennen das Domain-Knowledge, also das Wissen über die Branche, Lebensmittel zu bekommen und über diesen Markt in dieser Zeit. Und es funktioniert anders als der klassische Unternehmens Aufbau. Start-up ist sehr viel, sehr viel Fantasie und sehr viel Glauben an die Idee und klassisch, Sie sagen, Sie kommen aus dem Handel oder Ihre Familie kommt aus dem Handel, ich komme auch daher, dass man erstmal eine Leistung erbringen muss und die dann Stück für Stück verkauft. Diese Möglichkeit, die man da hat, eine Idee zu verfolgen und dabei so eine tolle Unterstützung zu erfahren, das ist im Klassischen gar nicht möglich, sondern…

Also Ihre Erfahrungen als Start-up-Unternehmung in Schleswig-Holstein sind offensichtlich positiv.

Die sind durchaus positiv. Also ich glaube nicht, dass das woanders so möglich gewesen wäre. Und es war für uns wirklich ein sehr positiver Zufall, dass gerade dieses Programm auch da startete, in dem Zeitpunkt, wo wir dabei waren. Gut, wir hatten auch den negativen Coronafall, den ich jetzt eigentlich gar nicht erwähnen will, aber der hat es natürlich auch nicht einfacher gemacht. Aber auch ein Thema, wo wir zum Beispiel im Proof of Concept gemerkt haben – das ist vielleicht spannend: Wir durften ja auch mit einem Müsli-Hersteller aus Lübeck zusammen seine Zahlen durchgehen und wir hätten Corona natürlich nicht vorhersagen können, aber wir hätten seine Absatzveränderung deutlich besser prognostiziert nach kürzester Zeit, als er es gemacht hat.

Das glaube ich, ist eine Erkenntnis, die auch bei den Firmen, gerade auch nach der Pandemie oder noch in der Pandemie, dass solche Ereignisse ja ungeheure Auswirkungen auf die Absatzzahlen haben und dass man auch da versuchen kann, mit hohen Datenmengen relativ schnell sich einer besseren Absatzprognose zu nähern. Also insoweit sind sie schon für viele, auch als Unternehmen auch mit food21 sowieso interessant, weil das Thema Absatzprognosen und das eben eine riesige Rolle spielt, unabhängig von der Frage, dass ja die eigentliche Idee immer noch eine sehr hehre und sehr schöne ist, nämlich Verschwendung von Lebensmitteln möglichst zu vermeiden. Also Start-up, Sie haben das nett gelobt, das freut mich, dass Sie gute Erfahrungen gemacht haben. Ich sage jetzt mal, Nils Offer ist inzwischen ja mit seinem Unternehmen, aber auch ein etablierter Teil der schleswig-holsteinischen Wirtschaft. Sie sind Vizepräses der IHK in Lübeck mit Ihrem IT-Unternehmen und bringen da die Erfahrungen auch mit ein. Insoweit auf vielen unterschiedlichen Bereichen mit der schleswig-holsteinischen Wirtschaft vernetzt. Herr Offer, vielen Dank, dass Sie heute da waren. Zum Schluss stelle ich immer drei kurze Fragen und die sind dann hoffentlich mit kurzen Antworten verbunden. Die besten Ideen habe ich…

Die besten Ideen habe ich meistens nachts.

Wenn Sie schlafen?

Wenn ich nicht schlafe. (lacht) Wenn man aufwacht und dann nicht wieder einschlafen kann.

Mein liebster Ort in Schleswig-Holstein ist…

Ist die Ostseeküste.

Die ganze, oder gibt es da spezielle Orte?

Großenbrode.

Großenbrode, da war ich heute. Jetzt könnte ich sagen, es ist wirklich ein schöner Ort. Am meisten inspiriert hat mich…

Die Zeit im Gateway.

Tatsächlich!

Ja.

Die Zeit im Accelerator, das ist schön zu hören. Das wird insbesondere die Macher von Gateway 49 sehr freuen, wenn sie das hören. Denn das ist ja in der Tat auch noch nicht so alt. Wir sind jetzt glaube ich im dritten Batch und deshalb eine sehr erfolgreiche Gründung eines Accelerators, die die Start-up-Szene in Schleswig-Holstein auch noch mal sehr belebt hat. Herr Offer, vielen Dank, dass Sie bei mir waren heute. Sie sind ein Unternehmer, der innovatives, dynamisches und modernes in die schleswig-holsteinische Wirtschaft trägt und der mit Ideen dafür sorgt, dass auch ganz Neues entsteht, dass man zunächst mal nicht vermutet. Verbindung von IT -Wirtschaft und Ernährungsbranche mit dem Ziel, Lebensmittelverschwendung zu vermeiden. Ich danke Ihnen, wenn Sie zugehört haben, und freue mich, wenn Sie auch beim nächsten Mal dabei sind und ich einen anderen Gast begrüße, der ein modernes, innovatives, dynamisches Schleswig-Holstein auf andere Art und Weise vorträgt. Herzlichen Dank für Ihren Besuch.

Ja, vielen Dank, dass ich hier sein durfte.