„Die Wandelbereitschaft und Innovationsbereitschaft, einfach etwas Neues zu wagen: das ist in unserer DNA“

Bernd Buchholz im Gespräch mit Isabel Höftmann-Toebe.

Isabel Höftmann-Toebe ist Geschäftsführerin des Paul Albrechts Verlages. Mit Wirtschaftsminister Bernd Buchholz spricht sie darüber, wie es dazu kam, dass das Unternehmen heute mit einer Vielzahl an deutschen Krankenkassen zusammenarbeitet und wie es der Druckerei gelang, in die Produktion medizinischer Masken einzusteigen.

 

 

 


 

 

Bernd Buchholz: Moin aus Kiel und herzlich Willkommen zu einer neuen Folge meines Podcasts „Echte Chancen“. Mein Name ist Bernd Buchholz, ich bin Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein und in dieser Podcast-Reihe wollen wir Menschen vorstellen, die vielleicht nicht so sehr im ersten Hinguck für Schleswig-Holstein stehen, weil man da ja den einen oder anderen Landwirt erwartet oder Touristiker oder viele andere. Aber es gibt viele andere Menschen, die die Dynamik und die Innovationskraft und das Moderne an Schleswig-Holstein auch verkörpern. Mein heutiger Gast verknüpft mit ihrem Unternehmen vor allem die Themen Digitalisierung, Gesundheit und Innovation. Isabel Höftmann-Toebe ist Geschäftsführerin des Paul Albrechts Verlages, einem seit 1925 bestehenden Familienunternehmen, welches sich vor allem mit der Digitalisierung im Gesundheitsbereich beschäftigt. Hallo Frau Höftmann-Toebe!

Isabel Höftmann-Toebe: Hallo Herr Buchholz.

Schön, dass Sie da sind heute und dass Sie etwas erzählen können über den Paul Albrechts Verlag und seine lange Geschichte. Sie sind dabei selbst und persönlich seit wie vielen Jahren?

Seit 20 Jahren bin ich schon im Unternehmen.

Und das ist ein traditionelles Familienunternehmen, ja?

Ja, das ist wirklich komplett noch im Besitz der Familie und es ist auch immer Familie in der Geschäftsführung gewesen. Und es war witzigerweise auch immer eine Frau aus der Familie in der Geschäftsführung. Ich bin jetzt die dritte Generation im Unternehmen, also meine Oma war im Unternehmen, meine Mutter und jetzt ich.

Und Ihre Oma und Ihre Mutter haben das Unternehmen auch geleitet?

Ja, also meine Oma hat es also auch durch die Kriegsjahre alleine geleitet. Meine Mutter war auch über viele Jahre, also fast 50 Jahre, im Unternehmen und hat es sehr viele Jahre auch sehr geprägt und auch geleitet.

Eine weibliche Führungs-Dynastie.

Ja, es war immer eine prägende weibliche Führung dabei.

Irgendwo ganz woanders erst ursprünglich gegründet und Sie feiern bald 100. Jubiläum.

Ja, genau.

Das klingt nach einer großen Party.

Da freuen wir uns auch drauf!

Das kann ich mir vorstellen. Aber 1926, da fing man an womit?

Da haben wir tatsächlich Gemeindebriefe verlegt und gedruckt. Der Bruder meines Opas war im Gemeindevorstand aktiv und hat die halt im Selbstverlag verlegt. Und dann sind wir ganz schnell zu einer Druckerei geworden und haben Formulare gedruckt, Sterbeurkunden – also alles, was man so an Formularen kennt, auch heute noch kennt, haben wir damals in Stolp gedruckt. Und damit auch bald wieder angefangen nach dem Krieg, eigentlich auch fast gleich in Lütjensee.

Und nach dem Krieg sind Sie umgezogen?

Ja, typische Flüchtlingsgeschichte, vertrieben aus Stolp.

Als Flüchtlinge damals, also Ihre Großeltern als Flüchtlinge, nach Westen verschlagen, und dann hat man dort einen Standort gesucht, um das weiter fortzusetzen, was man eigentlich ursprünglich gemacht hat: Nämlich Formulare verlegen. Und Gemeindebrief auch noch?

Nein, nur noch Formulare. Wir sind relativ schnell eine große Druckerei geworden und Lütjensee war dann ein sehr guter Standort wegen der Nähe zu Hamburg. Und wir sind ganz schnell auch bei den großen Krankenkassen in Hamburg, das sind unsere Kunden geworden.

Und da kommt jetzt die, die Ursprungsverbindung zum Gesundheitswesen her.

Ja.

Formulare für Krankenkassen im Wesentlichen.

Ja. Also das ist, zumindest sind wir seit 1947 Lieferant für deutsche Krankenkassen.

Und das schafft dann eine Verbindung zu dem Gesundheitswesen. Das ist ja auch sehr schön, wenn man zunächst mal Formulare machen kann. Und ehrlich gesagt: Unternehmen, die erstmal ganz erfolgreich in einem bestimmten Bereich sind, sind ja nicht immer so, dass sie sich fortentwickeln oder weiterentwickeln. Bei Ihnen ist, wenn man auf die Unternehmensgeschichte guckt, also vom Gemeindebrief über die Formulare, eine ungeheure Dynamik und Veränderung drin. Denn Sie sind ja nicht beim Formular drucken geblieben.

Nein, wir sind, mit unseren Kunden haben wir uns auch verändert. Es ist schon ein sehr altes Produkt, das kennen nicht mehr viele: Es gab früher Krankenkassen-Scheckhefte und die sollten abgelöst werden durch eine Plastikkarte, damals die Krankenversichertenkarte. Und wir haben gesagt: Gut, wir kennen die Kunden, das wird wohl nicht so schwer sein, dieses Produkt herzustellen. Also das hat damals meine Mutter ganz stark getrieben. Und dann haben wir angefangen, Plastikkarten zu produzieren.

Da ist aber doch eigentlich das Herstellen eines Produktes das eigentliche Kernproduktionsthema. Und wenn man Farbe auf Papier druckt und so ein bisschen mit seinem Inhalt sich beschäftigt, das ist ja so das Know-How gewesen. Das ist doch was völlig anderes, als Plastikkarten herzustellen.

Wir haben gedacht, da druckt man ja auch Farbe. Zwar auf ‘nem anderen Bedruck-Stoff, aber da haben wir gedacht: Das kann nicht so schwer sein. Es war eine Herausforderung, aber das war, eigentlich haben wir das dann gut geschafft.

Da ich ja auch so ein bisschen Hintergrund im Verlagsgeschäft habe und auch mit Farbe auf Papier aus einem Zeitschriftenverlage komme. Naja, das klingt jetzt so, als ob es ganz logisch ist und auf der Hand liegt. Aber in Wahrheit, Sie kommen ja aus einer Verleger-Geschichte mit Druckerei. Natürlich muss man auch was bedrucken bei Plastikkarten, aber diese Plastikkarten zu erstellen, das ist ja doch … Wie ist es dazu gekommen, dass Sie dieses Know-How sich erworben haben?

Wir hatten damals auch Glück und haben eine Maschine gekauft, die diesen Prozess sehr einfach erledigt hat für uns. Also es war eine Inline-Maschine, dass wir wirklich drucken mussten. Und dann hat die Maschine das netterweise selber gemacht. Es war so ein bisschen Sendung mit der Maus. Also… (lacht)

(lacht) Die Sendung mit der Maus. Also nach dem Motto: Ich erklär's mir selbst oder ich lasse es mir erklären und dann kaufe ich mir die Maschine dazu und dann mache ich das. Geboren aus dem unternehmerischen Anspruch, zu sagen: Das, was ich bisher gemacht habe, werden die dann wohl nicht mehr brauchen. Also brauchen die was anderes, also mache ich denen die Gesundheitskarte.

Ja. Das war wirklich so, dass wir zusammen mit unseren Kunden, die netterweise auch ein ganz hohes Vertrauen in uns hatten, weil sie uns als sehr guten Lieferanten kannten, uns das Vertrauen auch geschenkt haben und uns damals auch die Aufträge halt gegeben haben.

Jetzt ist diese Karte, die Gesundheitskarte auf dem Weg, auch wieder abgelöst zu werden. Denn in Wahrheit, wer spielt schon noch mit Karten eigentlich, oder? Wir stehen da vor einem Digitalisierungs-Prozess in der gesamten Gesundheitsbranche, die Ihnen ja auch jetzt irgendwie unternehmerisch etwas Herausforderungen bedeutet.

Ja, das ist absolut richtig. Weil wir neben den Karten auch ganz viele Formulare noch fürs Gesundheitswesen drucken. Wir sind für den norddeutschen Raum der Lieferant für Rezepte und andere Arzt-Vordrucke. Also alles, was Sie beim Arzt bekommen, das stellen wir her. Gerade das Rezept soll abgelöst werden durch ein sogenanntes E-Rezept, eine E-Verordnung, sodass die Verschreibung nur noch elektronisch erfolgt. Und das, da wird ja seit 15 Jahren drüber geredet und wir sehen das halt auch und wir bereiten uns da mit drauf vor mit verschiedenen Projekten.

Wir müssen trotzdem erstmal nochmal zurückkommen, weil jetzt waren wir dann schon bei der Plastikkarte und der Gesundheitskarte, die Sie drucken. Aber der Rezept-Block ist immer noch auch von Ihnen.

Der ist auch von uns.

Wie hab‘ ich mir das vorzustellen? Da guckt man sich an, was bei Ärzten und bei Medizinern so alles insgesamt gebraucht wird und dann sagt man: Können wir, machen wir.

Also, das ist ja ein regulierter Bereich in Deutschland, das Gesundheitswesen. Man wächst ja mit seinen Kunden und den Anforderungen, die sie haben. Und wir sind da sehr gut vernetzt in dem Bereich.

Ich habe jetzt keine Ahnung von diesem Markt. Aber gibt's denn noch Konkurrenz-Unternehmen, die auch Rezepte machen?

Ja.

Ja, gibt es. Wie viele in Deutschland ungefähr?

Ja, so vier bis fünf noch.

Also es gibt noch Konkurrenz, aber in Wahrheit sind Sie schon auch einer derjenigen, die so ein Viertel des Marktanteils irgendwie…

Tatsächlich ein bisschen mehr sogar. Also wir haben fast 40 Prozent Marktanteil bei den Rezepten und wir haben aber halt einen sehr, die sind sehr gut da in der Logistik. Die Ärzte bestellen bei uns direkt, wir versenden von uns aus die Rezept-Blöcke und auch andere Vordrucke. Das ist halt etwas, was man nicht so unbedingt gleich aus dem Boden stampft für ein anderes Unternehmen. Wir kennen den Prozess sehr gut und deshalb ist das glaube ich für die Ausschreibenden oder für den Auftraggeber sehr angenehm, wenn er dann auch weiß, dass der Prozess funktioniert. Und deshalb haben wir uns da halt ein bisschen festgesetzt im Gesundheitswesen.

Ihr Unternehmen hatte so, also ich stelle mir jetzt mal im Nachkriegs-Deutschland vor, da fängt man an mit diesem Formulardruck. Wie viele Mitarbeiter hatten Sie zu der Zeit ungefähr?

In der Hochzeit des Formulardrucks hatten wir 140 in der Druckerei.

In der Druckerei, klar. Das war in der Zeit noch klar, Druckereien, Großbetriebe – das ist heute sicherlich deutlich weniger.

Das ist sehr viel weniger. Wobei man denkt, in den Sechzigerjahren war natürlich die Setzerei die größte Abteilung.

Da musste noch gesetzt werden.

Da musste noch gesetzt werden.

Kann man sich heute draußen beim Zuhören gar keiner mehr vorstellen, was Schriftsetzer eigentlich mal für ein Beruf war. Also vor 20 Jahren in dieses Unternehmen, also Anfang dieses Jahrtausends, da hat die Digitalisierung gerade so in bestimmten Bereichen Fuß gefasst. Und da sagt man sich dann: Menschenskinder, wie wird das weitergehen mit einem solchen Verlag, der Formulare druckt? Jetzt haben Sie gesagt vorhin: Wir stehen vor der Herausforderung, schon viele Jahre, Rezepte sollen irgendwie auch digital ausgestellt werden. Da hat man ja nun wenig Know-How in so einem Unternehmen, in dem Rezept-Blöcke gedruckt werden.

Das stimmt. Aber ich glaube, es ist schon ganz wichtig, dass man einfach den Prozess kennt und weiß, wo im Zweifel die „Pain-Points“ sind, wie man das ja auf Neudeutsch sagt…

Das glaube ich sofort. Den Prozess zu kennen, das ist das eine, aber man muss ja auch sagen, die Herausforderung der Digitalisierung hat viel mit Technik zu tun. Das hat viel mit IT zu tun. Haben Sie sich umstellt mit Menschen und Leute eingekauft, von denen Sie gesagt haben: Die brauchen wir jetzt einfach, damit wir uns dieser Materie annehmen? Oder wie ist das dazu gekommen, dass Sie sich auf dieses Digitalisierungsfeld eingelassen haben?

Dadurch, dass wir einfach wirklich seit Ende der 80er, Anfang der 90er Auftrags-, also Datenverarbeitung im Auftragsfall machen, haben wir einfach schon immer sehr viel IT zusätzlich bei uns im Unternehmen gehabt. Und es ist natürlich ein riesiger Schritt zwischen so Anwendungs-IT und…

Wollte jetzt gerade sagen, so die Programmierung der alten Letter Box ist das Eine. Aber dazu jetzt zu sagen: Jetzt müssen wir das Rezept-Thema insgesamt digitalisieren, das ist was anderes. Mit Sitz in Lütjensee – das wird jetzt nicht jedem so klar sein, wo das Ganze ist, aber es ist im Hamburger Rand, Schleswig-Holstein, Kreis Stormarn. Also, ist das ein Standort für Sie, der auch heute noch Charme hat für das, was Sie tun? Oder müssten Sie nicht eigentlich in der Metropole sitzen, oder…?

Für Entwickler müsste man in eine Metropole gehen. Das ist absolut richtig. Aber das, ein bisschen kann man ja sagen, da spielt Corona uns in die Hände. Es haben uns alle extrem daran gewöhnt, von Zuhause aus zu arbeiten. Und dadurch können wir einfach auch verteilt arbeiten. Wir schaffen es jetzt tatsächlich wieder einfacher, gerade IT-Experten einzustellen, weil sie einfach nicht mehr vor Ort sein müssen.

Also Home Office-Aktivitäten und durch Digitalisierung schaffen Chancen für den ländlichen oder den ländlicheren Raum. Lütjensee ist jetzt nicht wirklich ländlicher Raum, aber es ist schon so, dass man da ein gutes Stückchen draußen ist. Sie haben keine Probleme, Fachkräfte für Ihre Bereiche zu finden?

IT-Spezialisten zu bekommen ist ganz schwierig im Moment, aber ansonsten bekommen wir tatsächlich noch immer gut Mitarbeiter.

Und Digitalisierung, die ja einen Schub genommen hat und gebracht hat, auch durch die Pandemie, das müssen wir, sehen wir ja alle mit Videokonferenzen und Telefonkonferenzen, in denen wir ständig alle hängen. Home Office, Homeschooling, alles was da ist. Hat Ihnen da natürlich aber auch nochmal ganz andere Herausforderungen gebracht. Sie haben im letzten Jahr der Pandemie nochmal auch was völlig Neues als Geschäftsfeld entdeckt.

Ja. Das, da haben wir tatsächlich die Chance genutzt, als es hieß: Schutzausrüstung ist knapp. Und wir hatten Reinräume und Leute, die sich mit der Technik auskennen, um Masken zu produzieren. Und dann haben wir einfach spontan gesagt: Wollen wir das machen?

Sie hatten Reinräume? Das müssen Sie erklären. Was ist denn ein Reinraum?

Ein Reinraum ist ein klimatisierter Raum, wo die Luft gefiltert wird. Wo also man in einer besonders reinen Umgebung produzieren kann.

Wieso hatten Sie den vorher?

Wir hatten Produkte hergestellt, die wir auch in einer sehr sauberen Umgebung herstellen wollten. Und zwar Vorprodukte für elektronische Identitäten, also Reisepässe. Und weil man da auch Mikroelektronik arbeitet, haben wir da halt auch sehr, eine sehr saubere Produktionsumgebung schon gehabt.

Wir umkreisen das Gebiet des Paul Albrechts Verlages mit vielen unterschiedlichen Facetten und sind bei Vorprodukten für elektronische Reisepapiere.

Ja.

Das machen Sie auch.

Das, das haben wir tatsächlich so ein bisschen ausgetauscht gegen die Masken. Also der Markt ist einfach sehr schwach. Also jetzt ist er aktuell extrem schwach, aber wir haben gesehen, dass wir dort in Deutschland doch sehr große Nachteile haben gegen die asiatische Konkurrenz.

Aber bei den, bei der persönlichen Schutzausrüstung, wo es in der Tat zu Beginn der Pandemie sofort etwas klemmte in Deutschland, haben Sie gesagt: Gucken wir mal, ob wir das können, da steigen wir ein.

Ja, das haben wir tatsächlich so gesagt. Das war ein Wochenende noch Ende März letzten Jahres, also gerade als die Hochphase, der erste Lockdown, so stark herrschte. Haben wir uns ein bisschen gesagt: Warum eigentlich nicht? Wir haben Leute, die motiviert sind. Wir haben Know-How, oder wir haben einmal kurz gegoogelt und gesehen: Das kann gar nicht so schwer sein, haben wir gedacht. Dass, von der Grundidee, wie diese Masken gefertigt werden, das Know-How hatten wir. Wir kennen Bahnführung, das auch ein ganz wichtiger Punkt ist, weil es einfach von Rollenmaterial zusammengeführt wird. Also als, als Drucker muss man dann ja sagen, weiß man, wie Rollen durch eine Maschine geführt werden. Und dann haben wir gedacht: Wir schaffen das.

Da haben Sie sich gesagt: Das geht auch jetzt für medizinisch Masken. Sind Sie in dem Geschäft noch drin?

Ja, das machen wir. Und wir wollen das auch nachhaltig betreiben. Wir denken schon, dass es, erstens sollte das nie wieder passieren, dass, falls es noch mal irgendwo eine Pandemie kommt, dass man diese Abhängigkeit der Lieferketten hat, finde ich. Und wir sehen das auch als nachhaltiges Geschäft, dass man auch mit „Made in Germany“ da einen Markt bedienen kann.

Da muss man nochmal nachfragen: Auch die Masken haben ja während der Pandemie durchaus eine Entwicklung erlebt. Erst wusste man nicht so richtig, ob sie überhaupt gebraucht würden, dann waren sie aus Stoff und jetzt sind es medizinische Masken, FFP2-Masken – was für Masken produzieren Sie denn?

Die medizinischen Masken. Also die OP-Masken, wie man so landläufig sagt. Es ist, aber es ist sehr spannend. Es ist ein Medizinprodukt, das haben wir uns, also die gesamte Regulatorik, die dahintersteht, die haben wir uns tatsächlich etwas leichter vorgestellt.

Wenn ich jetzt sagen würde, warum produzieren Sie nicht auch FFP2-Masken, würde ich möglicherweise eine Geschäftsidee auslösen, weil könnten Sie das auch?

Grundsätzlich ja. (lacht)

(lacht) Grundsätzlich. Grundsätzlich muss man sich das Know-How nur aneignen. Es ist erstaunlich, wie sehr wandlungsfähig, aber wie Sie sich auch darauf einlassen, einfach neue Felder zu bespielen und zu entdecken. Man kennt ja eigentlich in Unternehmen so eher die Haltung: Was wir können, das machen wir gut. Warum und wie sollen wir uns auf etwas Neues einlassen? Bei Ihnen gibt's irgendwie die Mentalität zu sagen: Digitalisierung – wunderbar! Da lassen wir uns nicht nur drauf ein, da versuchen wir, ein neues Feld mit einem Traditionsunternehmen zu finden. Was, was ist das für eine Kultur des Unternehmens, die das bewirkt, dass Sie das so gut können?

Ich glaube, dass unser gesamtes Team ist einfach sehr offen. Wir haben immer wieder neue Herausforderungen gehabt. Wir haben natürlich immer Märkte, gerade Papier ist ein Markt, der substituiert wird durch viele Bereiche, sodass man immer so ein bisschen sieht: Oh, wir haben Herausforderungen, dass es uns als Unternehmen langfristig gibt. Und dadurch sind wir immer sehr wandelbereit gewesen. Also diese Wandelbereitschaft, Innovationsbereitschaft, etwas Neues zu wagen, in andere Produkte oder auch Märkte einzudringen, ist schon, schon in unserer DNA.

Muss‘ ja wohl, denn Ihre Mutter und Ihre Großmutter haben ja auch schon diese Wandlungen mit dem Unternehmen vollzogen. Also da steckt etwas drin, was diese Wandlungsbereitschaft, diese Flexibilität und diese Einstellung auf moderne Herausforderungen ja offenbar mit bewirkt. Also man muss eigentlich sagen: Toll, wenn man das auf diese Art und Weise kann. Sie haben nicht nur keine Angst vor Digitalisierung, Sie gestalten sie aktiv mit. Und das in einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein mit einem Verlag, der so ein Traditionsunternehmen ist. Ich also, muss sagen: Wow, das ringt mir Respekt ab. Jetzt lassen Sie uns mal noch etwas über was anderes reden. Wenn ich mir wünschen dürfte, als Wirtschaftsminister eines Landes, was ich noch viel mehr gerne hätte, dann wären es Unternehmerinnen im Land, die Verantwortung übernehmen und solche Unternehmen führen, so wie Sie das tun. Was ist eigentlich die spezielle Herausforderung an eine Frau an der Spitze eines Unternehmens aus Ihrer Sicht?

Die Frage kann ich nicht so einfach beantworten, weil ich es ja vorgelebt bekommen habe. Das ist einfach etwas anderes, als wenn man als Frau direkt, wenn man es nicht die ganze Zeit sieht. Für mich war es einfach normal, dass eine Frau ein Unternehmen leitet.

Wie schön.

Ja, ich finde auch, ein großer Vorteil.

Ein Vorteil für Sie und ein Vorteil, den Sie dann gelebt haben. Vielleicht müssen wir noch viel mehr Vorbilder schaffen. Das machen wir tatsächlich allen Ernstes, indem wir versuchen, genau diese Vorbilder überall herauszugraben. Weil wir glauben, ich glaube, dass wir uns eines Potenzials vergeben an der Spitze von vielen Unternehmen, weil wir in der Tat auch eine sehr unausgewogene Verteilung immer noch an der Spitze vieler Unternehmen, auch in Schleswig-Holstein haben. Deshalb die Unternehmerin des Jahres, die mit als Vorbild animieren soll, mehr weibliche Führungskräfte dazu zu animieren, auch ein Unternehmen zu übernehmen und zu führen. Also Sie sind herzlich eingeladen. Sie dürfen da mitmachen demnächst.

Dankeschön.

Ja, solche Vorbilder muss es geben, so wie Sie Ihre Mutter und Ihre Großmutter offenbar wahrgenommen haben. So ist das dann einfacher. Aber nochmal zurück zu dem Eigentlichen: Haben Sie in Ihrer beruflichen Erfahrung in den letzten 20 Jahren irgendwo eine Erfahrung gemacht, dass es Ihnen als Frau besonders schwer gemacht wird?

Mir persönlich nicht. Ich kann das nicht sagen. Es war bei uns im Unternehmen ja eine Kultur, dass eine Frau an der Spitze steht. Also auch dort ist die Akzeptanz sehr groß. Gerade auch in Verbänden bin ich immer sehr gerne auch genommen worden als Frau. Weil, es ist eine sehr, die Druckindustrie ist eine sehr männlich dominierte Industrie. Auch da gibt es nicht so viele Frauen, da nimmt man natürlich auch gerne eine Frau mit in verschiedene Arbeitskreise oder Gremien. Ich, mir persönlich ist das tatsächlich nicht passiert. Ich weiß aber, dass ich dafür auch sehr dankbar sein kann.

Wirkt sich das in Ihrem Unternehmen auch so aus, dass Sie mehr junge Frauen oder Frauen in Führungsverantwortung haben? Oder ist das dann doch auch unterhalb der Chefin eine männerdominierte Welt?

Leider ist es im Moment eine männerdominierte Welt. Das hat sich aber eher so ergeben, als dass es geplant ist. Also ich würde lieber mehr Frauen haben.

Woran liegt's? Also warum gelingt es da auch nicht gerade durch Sie als Vorbild nicht auch noch, mehr Frauen zur Führungsverantwortung zu begeistern?

Ich glaube schon, dass das auch ein bisschen dieses Vereinbarkeitsthema ist, was ja dann doch stark immer wieder Leute auch vor Herausforderungen stellt. Also man braucht dann ja auch, wenn man im mittleren Alter ist, im Zweifel einen Partner, der das komplett mitträgt. Das haben wir jetzt wirklich ja im Rahmen von Homeschooling sehr stark erleben dürfen, dass das ein ganz wichtiges Thema ist, dass der Partner das auch gerade bei einer Frau mitträgt. Falls Kinder vorhanden sind, also dann ist es glaube ich besonders wichtig.

Ich glaube in der Tat, die Pandemie hat auch bewirkt, dass viele Männer auch mal mitbekommen zu Hause, was es bedeutet, Kinderbetreuung vor Ort eins zu eins auch zu machen und, dass Homeschooling und Home Office zusammen irgendwie nicht so richtig gut funktionieren. Aber in der Tat, das ist eine Kernherausforderung: Vereinbarkeit von Familie und Beruf – ich bin ja auch Arbeitsminister im Lande – wirklich zu schaffen durch manchmal kleine, einfache Dinge, aber eben doch vom Grundsatz her so, dass Frauen sich stärker engagieren. Frau Höftmann-Toebe, vielen Dank für die Einblicke in das Leben einer Unternehmenschefin. Und zum Schluss stelle ich immer noch Fragen, die so ein bisschen was über Sie sagen, weil es um ganz schnelle Fragen und ganz schnelle Antworten geht. Die besten Ideen habe ich…

…aus Gesprächen mit anderen heraus.

Mein liebster Ort in Schleswig-Holstein ist…

…die Seen um Lütjensee herum.

Da gibt es noch mehr Seen als den Lütjensee, in der Tat. Also vielleicht eine kleine Einladung aus diesem Podcast heraus: Wer Hamburger ist oder Schleswig-Holsteiner, man muss nicht nur an den Großen Plöner See fahren oder an den Selenter. Es gibt in Stormarn schon viele schöne Seen, um die sich herrlich spazieren gehen oder Radfahren lässt. Am meisten inspiriert hat mich…

Es dürfte jetzt nicht ganz überraschend sein, nachdem wir so viel darüber gesprochen haben. Es ist tatsächlich meine Mutter und auch meine Großmutter, dass sie einfach da über viele Jahre so erfolgreich auch an der Unternehmensspitze standen und dass sie mir dieses Role Model vorgelebt haben.

Isabell Höftmann-Toebe, Beispiel für eine Chefin eines Digitalisierungsunternehmens der besonderen Art in Schleswig-Holstein. Weil Digitalisierung in einem Traditionsunternehmen, das Nutzen von neuen Chancen auf eine ganz andere Art und Weise stattfindet und man sich dann auch parallel dazu überhaupt nicht davor scheut, mal eben Schutzmasken in der Pandemie zu gestalten und zu machen und zu produzieren. Vielen Dank, dass Sie da waren. Es war eine Freude, etwas über den Paul Albrechts Verlag kennenzulernen, der so männlich klingt und so weiblich geführt wird.

Herzlichen Dank für Ihre Einladung.

Und ich freue mich, wenn Sie beim nächsten Mal auch wieder dabei sind bei dem Podcast von „Echte Chancen“, mit dem wir versuchen, Schleswig-Holstein ein bisschen anders sympathisch darzustellen, als man es vielleicht so im Blick hat. Vielen Dank fürs Zuhören.