„Das, was bei uns an Technologien oder Materialien entwickelt wird, kann auch in der Agrarwirtschaft oder Pharmaindustrie zum Einsatz kommen.“

Claus Ruhe Madsen im Gespräch mit Nele Dageförde

Nele Dageförde ist CEO des Transferzentrum für Maritime Technologien (TransMarTech) in Kiel. Das Zentrum ist Inkubator, Dock und Hub für maritime Zukunftsprojekt und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Wissenschaftler:innen bei Forschungsprojekten zu unterstützen und gemeinsam mit Unternehmen neue technologie-basierte Geschäftsfelder zu etablieren. Ziel des TransMarTech ist es den maritimen Standort Schleswig-Holstein zukunftsfähig zu machen.

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Claus Ruhe Madsen: Hallo aus dem schönen Kiel und herzlich willkommen zu meinem Podcast „Blind Talk mit Madsen“. Ich heiße Claus Ruhe Madsen und bin Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein. In diesem Podcast begrüße ich Menschen aus wichtigen Zukunftsbranchen, die mit ihrer Arbeit unser schönes Bundesland voranbringen. Gemeinsam sprechen wir über’s Leben und Arbeiten im echten Norden, über Herausforderungen und Chancen für Unternehmen, Cluster und Initiativen. Außerdem geht es um Innovationen und Nachhaltigkeit made in Schleswig-Holstein. Das Besondere: Am Anfang weiß ich nicht, welcher Gast mich erwartet. Ich lasse mich überraschen und freue mich auf neue, spannende Einblicke in die Wirtschaft Schleswig-Holsteins! Welches Gewässer liegt ihnen am nächsten, beim Arbeitsplatz? 

Nele Dageförde: Das Gewässer, das an meinem Arbeitsplatz liegt, ist die Schwentine. 

Oh ja! Beschreibe deine Tätigkeit mit einem Wort. 

Technologietransfer. 

Und was machst du denn am liebsten bei deiner Arbeit? 

Ich treibe die maritime Zukunft voran.

Das klingt super, dann wollen wir doch mal sehen, mit wem wir es zu tun haben.  

 

– Vorhang fällt – 

Grüß dich!

Hallo!

Wie geht's?

Immer gut!

Ich musste dich leider einen Moment warten lassen, weil ich noch kurz Tischtennis spielen musste.

Das ist in Ordnung. Ich hätte gerne mitgespielt.

Das werden wir dann nach dem Podcast machen. 

Das machen wir so.

Großartig so! So, ich sehe dich jetzt, das ist aber im Podcast nicht viel versprechend, also von daher: Erzähl uns mal, wer bist du? 

Ich bin Nele Dageförde und ich leite seit fast drei Jahren das Transferzentrum für Maritime Technologien Schleswig-Holstein und ich lebe und arbeite hier in der Nähe von Kiel beziehungsweise arbeiten tu ich in Kiel im Wissensquartiere Seefischmarkt.

Was ist denn das Ziel eurer Arbeit? 

Wir haben eigentlich zwei Ziele. Das eine Ziel ist, dass wir das, was wir in den wissenschaftlichen Instituten und auch in den Universitäten haben, in eine wirtschaftliche Anwendbarkeit bringen. Das heißt, wir unterstützen Teams aus der Forschung dabei, ihre entwickelten Prototypen in eine wirtschaftliche Verwertbarkeit zu bringen. Und das zweite Ziel unserer Arbeit ist, dass wir mit maritimen KMUs zusammenarbeiten, also sprich kleine mittelständischen Unternehmen in Schleswig-Holstein, die ja den Großteil der maritimen Wirtschaft in Schleswig-Holstein ausmachen, und helfen dabei zu schauen, inwieweit denn das vorhandene Technologiepotenzial in den Unternehmen vielleicht in neue Anwendungsfelder gelangen kann. 

Und das ist ja, glaube ich, besonders wichtig, aus einer Sichtweise. Du sagtest ja, KMU, kleine und mittlere Unternehmen, die haben in aller Regel ja keine eigene Forschungseinrichtung. Wie kannst du denn da dann unterstützen? 

Ja, wir sind letzten Endes ja auch ein kleines Team, aber wir haben Experimentierfläche, und wir haben bestimmte Formate bei uns entwickelt in den letzten drei Jahren, die eben dazu anregen sollen, ein bisschen mehr so in anderen Bereichen in ein Experimentierfeld zu gehen und sich da ein Stück weit auch auszuleben. Und das ist der Ansatzpunkt, den wir letzten Endes bieten, mit ganz gutem Zulauf auch muss ich sagen. Und ich glaube, für die Unternehmen ist von Vorteil, dass bei uns im Zentrum eben diese interdisziplinäre Zusammenarbeit auch stattfinden kann, also dass man mit Menschen zusammenarbeitet, mit denen man in seinem normalen Arbeitsumfeld, im operativen Tagesgeschäft eben nicht so sehr viel zu tun hat.

So Nele, das Ganze ist ja nicht von alleine auf die Beine gestellt worden. Ich weiß, du hast da sehr viel Arbeit reingesteckt. Wie ist denn die Entstehungsgeschichte? 

Das ist eine Idee gewesen des Wirtschaftsministeriums, schon ein bisschen älter. Es hat dann etwas gebraucht, bis es dann in ein konkretes Format gegossen wird, also eben in dieser GmbH-Gründung in 2020 gemündet ist. Und das Ganze haben wir eben dem Land Schleswig-Holstein zu verdanken, aber auch den IHKen die bei uns Gesellschafter sind, der Kieler Wirtschaftsförderung und auch den maritimen KMUs und der Wissenschaft. 

Und, den Hut darfst du dir aufsetzen, auch die Arbeit, die ihr natürlich tagtäglich leistet, allein der Wunsch nach einem Konzept. Und das muss natürlich mit Leben und mit sehr viel Arbeit gefüllt werden. Da haben du und deine Kolleg:innen glaube ich, allerhand zu tun. 

Wir haben ganz gut zu tun. Es wird immer scherzhaft gesagt: wie viele Leute seid eigentlich? 20? Nee, wir sind aktuell fünf, und das ist ein supergutes Team, was ich da an meiner Seite habe und die mit sehr viel Spirit und Teamgeist da wirklich tolle Formate auch entwickeln, aber auch eben richtig Hands-on an den Teams arbeiten, und das ist auch der inhaltliche Schwerpunkt unserer Arbeit. 

Klimaneutralität, insgesamt das Thema Nachhaltigkeit ist natürlich in aller Munde und wird viel diskutiert. Wo könnt ihr da ansetzen? 

Also, wir konzentrieren uns wirklich auf vier Bereiche, die ganz viel mit Monitoring zu tun haben, also den ganzen Bereich digital und Überwachung, auch von kritischer Infrastruktur. Das ganze Thema „Clean Ocean“, also sprich Gesundheit der Ozeane, ist bei uns ein großer wichtiger Punkt, neue Zukunftstechnologien in diesen Bereichen, aber auch die Verwertung und Verwendbarkeit von Marinen Ressourcen. Und das sind eigentlich die vier wachstumsstärksten Felder der Sustainable Blue Economy. Das sind die Felder, in denen wir wissenschaftlich sehr stark sind, hier im Bundesland, und das sind die Schwerpunktfelder, auf die wir unsere Arbeit voll konzentrieren. 

Jetzt sagst du Blue Economy. Vielleicht für unsere Zuhörer:innen: was ist denn das?

Wir gehen auf die Sustainable Blue Economy, das heißt die vier wachstumsstärksten Branchen innerhalb der Blue Economy und dazu gehört eben Digital, Sicherheit, Ressourcen und Ozean Gesundheit. 

Was denn mit dem Thema Energie? Was ist mit Nahrung? Wie sieht es denn in den Bereichen aus? 

Also der gesamte Gesundheitssektor, Medizinprodukte, das fällt unter diese maritimen Ressourcen, also „Goods“ auch im englischen genannt. Offshore Wind ist alles, was wir auch als kritische Infrastruktur betrachten. Also wenn wir in der Nordsee pfahlen, um Offshore Windparks zu bauen, dann müssen wir da unter Wassertechnologie einsetzen, und das sind die ganz großen Bereiche, die damit drin sind. Fischerei fällt genauso unter den Bereich „Goods“. 

Woran arbeitet ihr denn da so? 

Wir bearbeiten eine sehr große Bandbreite von Themen. Also, wir haben unter anderem ein Team, was wir derzeit betreuen in der Validierungsphase. Die haben ein kleines Gerät entwickelt, einen sogenannten Ocean lander, der in der Lage ist, durch verschiedene Sensoren und Kameratechniken unter Wasser quasi das Sediment zu beobachten und zu gucken, wie sich das verhält. Das ist halt im Bereich der Offshore Windparks relevant, und diese Geräte sind in der Lage, unter Wasser zu kommunizieren, und das ist ein mögliches Einsatzgebiet, das wir uns gerade anschauen, das ist ein ganz spannendes Thema, und im Bereich der marinen Ressourcen ist vielleicht so das größte Thema Seegras, Renaturierung, aber eben auch die Verwendung des Materials an sich, und da sind wir mit unterwegs, eben auch die Teams zu unterstützen. 

So Nele, das ist ja ein breites Spektrum, mit dem ihr da arbeitet. Kommen alle Kunden aus dem Bereich der maritimen Wirtschaft, oder sind die Produkte, die aus den Ideen entstehen, dann am Ende auch alle aus dem Bereich, oder wie kann man sich das vorstellen? 

Das denken wir erst, wenn man Technologiezentrum für maritime Technologien ist, aber in der Realität sieht es anders aus, und das ist auch das spannende. Denn das, was bei uns an Technologien entwickelt wird oder sich an Materialien nachher herausentwickelt das landet nicht zwangsläufig in der maritimen Wirtschaft. Das kann in der Agrarwirtschaft landen, das kann in der Pharmaindustrie landen, und das ist auch letzten Endes das, was dann richtig spannend ist, also zu gucken, was wir letztendlich mit den Produkten machen, die sich herausentwickeln. Also ist es wirklich dann die Zielgruppe oder der Zielmarkt maritim, oder ist das was ganz anderes? 

Also, entstehen dann auch quasi Überraschungsentdeckungen, indem man an einer Qualle forscht, und dann stellt man plötzlich fest, dass man das auch für Menschen umsetzen kann, oder wie ist das Ganze zu verstehen? 

Ja, so in etwa muss man sich das vorstellen. Also gerade die Medizintechnik hat super viele Grundlagen aus den Marinen Ressourcen. Also, da gibt es auch unheimlich viele Forschungsprojekte, die in dem Bereich unterwegs sind. Es gibt eine GEOMAR-Ausgründung, Osteolabs heißen die. Die sind jetzt nicht über uns gekommen, die gibt es schon länger, aber die nutzen ein Verfahren von Biomarkern, die eigentlich aus der Korallen-Forschung kommen. Ein Verfahren, um Osteoporose-Tests durchzuführen. Und das ist, ich sag mal, ein Transfer, den man relativ häufig eigentlich sieht, wenn man mit Marinen Ressourcen zu tun hat. 

Superspannend! Von der Firma habe ich auch schon einiges gesehen und gehört, und ich glaube, die starten jetzt erst richtig durch. Was wir aber auch alle hören und über das viel gesprochen wird: Wenn ich heute in die Ostsee steige und rauskomme, dann habe ich vermutlich TNT-Partikel am Körper. Das Thema Munitionsräumung: Habt ihr da auch Ansätze? Wie kommen wir da mit dem Thema weiter? 

Ja, das Thema ist ja jetzt schon super weit gekommen. Da hat man ja 40 Jahre lang dran gearbeitet, dass wir jetzt diese 100 Millionen Euro Sonderfonds haben, um sich mit diesen Bergungsthemen auseinanderzusetzen. Die Themen, die bei uns eher landen, sind eher in der Kartierung, also in der Detektion zu finden. Also, wir haben momentan ein Team, was wir dort in den nächsten Monaten betreuen werden, was daran arbeitet, eben die Detektion von Munition noch mal besser zu machen, um auch unterscheiden zu können, was für Munitionskörper habe ich da eigentlich vor mir, bevor ich den berge? Also, ist das eben chemische Munition, oder ist das eine ganz klassische Sprengladung, die dahinter ist? 

Ja, wir stehen ja vor dem Problem, dass das sehr, sehr lange schon dort ist und dass es sich langsam auflöst und das, was früher in Kisten war, nicht mehr in Kisten ist, sondern verstreut, dass das, was solide war, porös ist und das macht natürlich das ganze sehr gefährlich. Nicht nur das Räumen, sondern auch, dass es in unserer Ost- und Nordsee ist. Und da würde ich mich jedenfalls persönlich freuen, wenn ihr da gute Modelle findet, wie wir das gut aus dem Meer raus geräumt bekommen. 

Da sind sich die Wissenschaftler total einig. Also, das muss geborgen werden. Die große Fragestellung ist jetzt, wie macht man das so, dass es eben auch sicher passieren kann? Also, das gibt ja verschiedene Möglichkeiten Munition zu bergen und dann eben auch zu entschärfen und letzten Endes auch zu entsorgen. Und da muss auch noch viel Arbeit und auch Gehirnschmalz reingesteckt werden, um sich zu überlegen, wie das dann auch vernünftig aussehen kann. 

So Nele, jetzt muss noch ein, zwei persönliche Fragen stellen. Wieso ist Schleswig-Holstein der beste Ort zum Leben und Arbeiten? 

Weil Schleswig-Holstein das schafft, Menschen, die vorher in der Welt unterwegs gewesen sind, durch die zwei Meere, die wir in einem Bundesland haben, doch wieder hierher zu bekommen. Also, ich glaube, so die Inspiration, sich aus der Welt zu holen und dann das etwas behütetere Schleswig-Holstein zurückzukehren, ist keine schlechte Kombination. Wir haben eine unheimlich hohe Lebensqualität hier, wir haben sehr bodenständige Menschen, die aber gleichzeitig total innovativ sind, und man kriegt hier unheimlich schnell gute Anknüpfungspunkte und kann sich sehr schnell mit Menschen vernetzen und mit denen zusammenarbeiten, die auch was bewegen wollen, und das macht halt richtig Spaß. 

Du hast ja sicherlich auch viel mit Internationals zu tun. Was sagen die denn so, wenn sie nach Kiel, nach Schleswig-Holstein kommen? Denken die: Yo, hier ist Innovation, hier geht's aufwärts, oder was schildern die so? 

Ja gut, die meisten internationalen Wissenschaftlerinnen kommen ja für die großen Forschungsinstitute ins Bundesland, also Verion (12:17), die CAU aber auch das GEOMAR sind Institute, die Weltruf haben, die glaube ich einen Pull-Faktor auch gerade für die Wissenschaftsbereiche darstellen, und die schätzen genau das, was ich eben genannt habe, dass sie schnell Anschluss bekommen, dass wir hier eine sehr offene Willkommenskultur auch haben. Wir haben tolle Dinge, die man hier in der Freizeit tun kann. Wir haben zwei tolle Meere, bei denen man Wassersport betreiben kann, und das trägt alles zum Wohlbefinden bei. Also es lässt sich hier richtig gut leben. 

Jetzt, wo du ja im Bereich der Meere arbeitest: Fischbrötchen oder Currywurst? 

Ganz schwierige Frage für eine vegane Jägerin.

Oh okay, das ist aber irgendwie dann gar keine Antwort, stelle ich gerade fest. Da ist die politische Antwort. Ich kenne das mit der politischen Antwort. Mir wurde die Frage mal als Bürgermeister von Rostock gestellt und fand das echt fies, weil es erwarten natürlich alle, dass man Fischbrötchen sagt, ich hab Currywurst geantwortet, weil ich lieber ehrlich bin. So liebe Nele. Ich habe zum Abschluss noch eine Frage, die du spontan beantworten musst. Mit dem Meer verbinde ich…

… einen Ruhepuls von 45 und Innovation und Zukunftsausblick.

Stark. Ich weiß nicht, ob ich jemals einen Ruhepuls von 45 auf dem Meer hatte, aber für mich ist das Abenteuer aber tatsächlich auch gleichzeitig sehr entspannend. Ja, liebe Nele, ich bedanke mich dafür, dass du heute da warst, unseren Zuhörerinnen und Zuhörern einen kleinen Einblick gewährt hast in die ganze maritime Forschung und Industrie. In der nächsten Folge vom Blind Talk mit Madsen erwartet uns erneut ein spannender Gast aus Schleswig-Holstein. Bis dahin Tschüss und mach's gut! Vielen Dank, Nele!

Ich danke dir für das coole Gespräch.

Schön.