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Cookie Einstellungen ÖffnenEin explosives Thema hat Jann Wendt 2011 dazu bewogen, sich selbstständig zu machen: ein Praktikum beim Kampfmittelräumdienst.
Mit seiner Firma north.io entwickelte der damalige Geographiestudent digitale Lösungen, um Blindgänger am Meeresgrund lokalisieren zu können. Die Expertise des Kieler Unternehmens wird heute aber auch in vielen anderen Bereichen genutzt. Etwa beim Bau von Offshore-Windparks oder Schutz kritischer Infrastruktur im Meer. Denn north.io bietet cloudbasierte Services, um maritime Geodaten zu organisieren und zu managen. Eine große Aufgabe, zumal rund ¾ des Meeresbodens noch Terra incognita sind.
Wie north.io das ändern will, warum der echte Norden ein echt guter Standort für maritime Start-ups ist und was Jann Wendt in 20 Jahren im Handelsblatt über north.io lesen möchte, verrät er Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen in der neuesten Episode unseres Podcasts „Zukunftstalk mit Madsen“. Tauchen Sie ein, in ein spannendes Thema.
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Claus Ruhe Madsen: Wenn man den Begriff maritime Forschungsprojekte hört, denken vermutlich viele an Tiere, Pflanzen unter Wasser, an Wellen und vielleicht auch noch an Umweltschutzprojekte. Woran man wahrscheinlich nicht denkt, sind Themen wie Datenverarbeitung und KI. Aber genau mit diesen Dingen beschäftigt sich das Unternehmen north.io in Kiel. Warum das ein ziemlich spannendes Thema ist, das weltweit immer mehr an Bedeutung gewinnt, erzählt uns heute Jann Wendt, CEO und Gründer von north.io. Ich bin Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen und du hörst meinen Podcast.
Einspieler: Zukunftstalk mit Madsen, der Podcast für alle, die Schleswig-Holsteins Weg zum ersten klimaneutralen Industrieland begleiten möchten. Es geht um das Leben und Arbeiten im echten Norden, um spannende Wirtschaftsthemen und wichtige Zukunftsbranchen. Außerdem erzählen Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner ihre inspirierenden Erfolgsgeschichten und geben Einblicke in ihre ganz persönliche Work-Beach-Balance. Viel Spaß beim Reinhören!
Herzlich willkommen, Jann. Schön, dass du da bist!
Jann Wendt: Hallo Claus, vielen Dank für die Einladung.
Bevor wir einsteigen, kannst du dich vielleicht ganz kurz unseren Hörer:innen vorstellen.
Jann Wendt: Ja, sehr gerne, mein Name ist Jann Wendt. Wie du schon erwähnt hast, bin ich Gründer und Geschäftsführer von der north.io, ich bin 37 Jahre alt und habe in Kiel Geografie studiert.
Da muss ich direkt reingrätschen. Wie kommt man darauf?
Jann Wendt: Es ist eine verdammt gute Frage. Ich komme eigentlich von der Westküste aus Dithmarschen und habe es tatsächlich bis hierher geschafft. In der Schule fand ich tatsächlich Geografie interessant.
Und dann dachtest du also, wer hier in den Marschen aufgewachsen ist, der muss Geografie studieren.
Jann Wendt: Im Prinzip genau so. Die Idee, Geografie zu studieren, war einfach interessens-getrieben.
Ein bewegter Weg zu north.io. Wie ist es dazu gekommen?
Jann Wendt: Im Prinzip tatsächlich durchs Studium, durch ein Praktikum beim Kampfmittelräumdienst. Das sind die Frauen und Männer, die die Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg für uns bergen und auch entschärfen. Und ja, ich hatte die Chance, einmal meine Bachelorarbeit dazu zu schreiben und dann so ein bisschen zu zeigen – das war im Jahr 2010 - was man vielleicht mit ein bisschen mehr – wir nennen das bei uns Geoinformatik - also Datenverarbeitung mit großen räumlichen Daten, was man da machen kann, auch in deren Feld, und die fanden das so spannend, dass sie gesagt haben „fang doch bei uns an“. Ich war aber noch nicht ganz so weit, in dem Zuge in den öffentlichen Dienst zu gehen. Ich wollte ganz gerne noch weiter studieren und auch eigentlich noch mal aus Kiel raus. Das war eigentlich der ursprüngliche Plan. Aber dann hat sich so ergeben, dass wir gesagt haben, okay, wir testen das, wir machen mal eine Firma neben dem Studium auf, also in dem Fall ich, und so ist es im Prinzip zur Entstehungsgeschichte von north gekommen.
Kampfmittelräumung, wo und wie macht man das? Also wie bist du da wiederrum draufgekommen?
Jann Wendt: Na, im Endeffekt ist es tatsächlich so, wenn du in Schleswig-Holstein bauen möchtest oder in unserer Bundesrepublik, dann musst du in vielen Bereichen dort einen Antrag stellen, weil wir natürlich aus dem Zweiten Weltkrieg eine starke Belastung mit Kampfmitteln sowohl auf See, aber auch natürlich auch an Land haben und in dem Zuge dessen arbeiten die mit sehr, sehr vielen Daten, also Geodaten nennen wir die bei uns. Ein ganz konkretes Beispiel: Luftbilder. Kannst du dir vorstellen, dass bei jedem Angriff, der geflogen wurde, vorher einmal fotografiert wurde mit Flugzeugen. Dann wurde bombardiert, und dann sind die nochmal rüber geflogen und haben die Schäden dokumentiert, und das sind alles Informationen, die man benötigt und die man nutzen kann, um Munition und Bomben tatsächlich zu finden.
Und das hat man dann bis dahin anhand von Fotos gemacht, oder ein Mensch hat das ausgewertet? Oder wie soll ich mir das vorstellen?
Jann Wendt: Ja, das ist tatsächlich immer noch heute so, dass auch der Mensch die finale Entscheidung trifft. Jetzt hier in Schleswig-Holstein, ist es so, dass die knapp 80.000 Kriegsluftbilder zur Verfügung haben. Das bedeutet, wenn du in Kiel tatsächlich eine Luftbildauswertung machst, heißt das, dass du bis zu 2000 Luftbilder dir anschauen musst, und da gibt's natürlich Möglichkeiten der Digitalisierung, um das ein bisschen intelligenter zu machen, um den Menschen da zu entlasten, dem weitere Informationen da zur Verfügung zu stellen, und damit haben wir uns dann eine ganze Zeit beschäftigt.
Ich nehme an, wir nähern uns der northi.io. Was genau macht ihr?
Jann Wendt: Genau, also wir sind dann im Prinzip von dem Themenkomplex Kampfmittel an Land, haben wir die ersten Füße quasi ins Wasser gesteckt, weil das Problem der Munition…..
…und da ist es auch etwas schwierig mit den Luftbildaufnahmen über Wasser.
Jann Wendt: Das wird tatsächlich schwierig, sehr gut, also für das Geografie-Studium schon mal qualifiziert. Da helfen die Luftbilder tatsächlich nicht mehr wirklich und da brauchen wir natürlich andere Informationen. Wir haben aber gesehen, dass dieses Problem im Wasser von der Dimension tatsächlich noch ein ganzes Stück größer ist, und wir reden da von 1,6 Millionen Tonnen, die wir in den deutschen Meeresgewässern vermuten, und so viel Fläche haben wir nicht. Da brauchst du andere Informationen, und das war tatsächlich der Einstieg in das, was heute im Prinzip north.io auch macht.
Wie genau funktioniert das genau?
Jann Wendt: Also, wie funktioniert die Kampfmittelsuche im Wasser? Im Prinzip fährst du mit dem Schiff oder jetzt auch einem autonomen System - das ist immer mehr der Trend, der auch da aufläuft - fährst du über das Wasser und kartierst im Prinzip den Meeresboden. Das machst du mit Schallwellen, das sind Sonare, vielleicht sagt das einigen was, und da bekommst du extrem hochauflösende Daten vom Meeresuntergrund und kannst auf diesen Daten dann dementsprechend Munitionsfunde, Anomalien erkennen. Und da haben wir uns dann halt sehr, sehr intensiv mit beschäftigt, wie kann man das intelligenter machen, wie kann man dort AI einsetzen, um diese gigantischen Datenmengen zu verarbeiten. Und in dem Zuge haben wir gesehen, dieses Problem des Umgangs mit Ozean-Daten ist viel größer als nur das Munition-im-Meer- Thema. Wir bauen riesengroße Offshore Windparks, Infrastrukturen, und all dieses wird mit Daten quasi gefüttert, geplant, geschrieben, und da sind wir im Prinzip zu dem jetzigen Geschäftsmodell der north gekommen. Wir haben halt eine cloud-plattform-Technologie entwickelt, die jetzt eingesetzt wird, von Offshore Windanbietern, von Vermessungsfirmen, um diese gigantischen Datenmengen zu verarbeiten.
Also, die liefern euch die Daten für die Plattform, oder?
Jan Wendt: Das ist eine sehr gute, sehr gute Frage. Tatsächlich ist es so, die bekommen eine leere Plattform tatsächlich hingestellt bei einer Cloud ihrer Wahl oder bei denen im Rechenzentrum, und die bekommen dann die Daten von ihren Daten-Zulieferern, das sind meistens auch immer sensitive Daten. Wir kommen, glaube ich, auch später noch mal zu dem Themenkomplex und sie arbeiten im Prinzip in einer sicheren Umgebung mit ihren Daten, und wir reden da wirklich von Tera- und Petabyte, also wirklich gigantischen Datenmengen, und das ist das Geschäftsmodell, was wir jetzt betreiben.
Die leere Plattform oder dann auch anschließend die gefütterte? Also besteht da auch Kooperationen, oder muss jetzt jeder jedes Mal alles erheben? Kann man da sagen, genau für dieses Quartier haben wir eigentlich schon alles erhoben, für wenn jemand da mal eine Infrastruktur schaffen will?
Jann Wendt: Ja, tatsächlich ist es leider so, dass wir, und mit wir meine ich jetzt nicht explizit uns, sondern wir als Gesellschaft noch nicht so weit sind, dass wir eine solche Datenökonomie, und das ist ja schon so der erste Schritt, den du quasi da beschreibst, etabliert haben. Ich erkläre das auch immer ganz nett am Beispiel, dass jeder Punkt in der Ostsee schon fünf- bis zehnmal vermessen worden ist, von den Forschungsinstituten, von denen, die dort irgendwelche Infrastruktur bauen. Aber, und das ist eins der großen Probleme, das sind Datensilos, das heißt, da liegen dann Daten auf einer Festplatte im Schrank von dem Forscher, auf der anderen Seite liegen Daten irgendwo gesichert bei dem Unternehmen. Und tatsächlich sind wir noch nicht so weit, dass es schon diesen Datenaustausch gibt. Da arbeiten wir jetzt aber in einigen Projekten, auch von der Bundesregierung gefördert, dran, um diese Ideen dieser Datenökonomie und des Mehrfachnutzens von Daten auch zu platzieren.
Ich habe gehört, dass wir den Meeresboden schlechter kennen als die Rückseite vom Mond. Kann das wirklich sein?
Jann Wendt: Ja, da hast du Recht. Also momentan wissen wir ungefähr von 24,6 Prozent wie das da unten aussieht. Was aber bedeutet, dass wir drei Viertel noch überhaupt nicht kennen, und wenn wir davon reden, dass wir das kennen, dann reden wir von einer Auflösung von 400 Metern. Das heißt, da kannst du gar nicht tatsächlich sehen, wenn du dir das Bild so vorstellen würdest, und den Mond kennen wir zu 99 Prozent auf ein Meter genau.
Und was tut ihr jetzt? Weil ich habe verstanden, es gibt ja genau genommen genug Daten.
Jann Wendt: Naja, es gibt unglaublich viele Daten, wir hatten das ja vorhin schon erwähnt. In der Ostsee ist jeder Punkt wahrscheinlich schon zehnmal übermessen. Aber es gibt natürlich jetzt viele Vorhaben, die wir auf unseren Weltmeeren jetzt umsetzen. Also gerade die Energiewende, Offshore-Wind, eins von den ganz großen Themen, die wir dort draußen haben, und das ist so, das muss man mal erklären, das ist einer von drei Megatrends, die wir da draußen haben. Das kann man, glaube ich, schon so sagen. Das ist Industrialisierung, was wir da draußen tun. Wir nutzen unsere Meeresumwelt als Energiehersteller, und das ist eine Form von Industrialisierung. Zweite Geschichte: Damit geht einher, dass wir natürlich viel, viel mehr Daten brauchen. Wenn du da draußen einen Windpark baust und der kostet eine Milliarde, dann willst du auch schon ganz genau wissen, was du da machst, wo du das hinstellst, und dass das auch die nächsten 25 Jahre möglichst gut hält. So, und dadurch haben wir halt einen Druck, dass immer mehr Daten generiert werden müssen, und dann kommen halt auch autonome Systeme ins Spiel. Das heißt, früher war es ist so, dass du dir ein großes Vermessungsschiff holen musstest. Das kostet dann 200.000 € am Tag, und jetzt geht es aber schon dahin, dass du nur noch ein Schiff hast, und dann schickst du von da zehn Torpedos autonom los, und die messen natürlich unglaublich viele, viele Daten. Das ist der zweiter Megatrend und so ein dritter Megatrend ist Konnektivität, Verbindung, also diese Starlinks dieser Welt, das heißt wir haben da draußen auf einmal Internet, und das sind natürlich so drei Megatrends, die dafür sorgen, dass du, wie man vom Wording her sagen könnte, ein Greenfield von technologischen Möglichkeiten hast. Das heißt, du hast da wirklich ein gigantisches Potenzial, neue Technologien in diesen Bereich zu bringen.
Submarine Internet of things…
Jann Wendt: Da bist du gar nicht so weit weg, tatsächlich. Internet of underwater things, heißt das bei uns. Aber das ist schon tatsächlich ein extrem großes Thema, die Digitalisierung unserer Ozeane.
Wir haben ja die eine oder andere kritische Sache erlebt mit unter-Wasser-Infrastrukturen. Ich glaube, da gibt es auch das Argus-Projekt. Vielleicht kannst du das beschreiben. Vielleicht ist dem ein oder anderen nicht klar, wie viele Datenkabel, Stromkabel, Infrastrukturen eigentlich unter Wasser sind, und die sind ziemlich schwer abzusichern.
Jann Wendt: Ja, also ganz klar, unser digitales Herz schlägt in den Ozeanen. Das mag man gar nicht so wirklich glauben, aber über die Ozeane sind wir verbunden in der Welt. Da geht es zum einen um Datenkabel, das ist die eine Thematik. Aber da geht es natürlich auch um Pipelines, um Erdgasleitung, um Ölleitung, und wir haben halt vor zwei Jahren den Anschlag auf die Nordstream-Pipeline gehabt. Ich meine, dass die ganze Community in dem Bereich eigentlich weiß, dass diese Bedrohung existiert. Dass aber jemand den Knopf drückt, das hat eine Dimension, die tatsächlich eigentlich keinem bewusst war, dass das wirklich passieren kann. Jetzt hat das natürlich eine Menge Themen ausgelöst. Wie überwachen wir da unten eigentlich den ganzen Kram, der da liegt, und da muss man ganz ehrlich sagen, bisher fast gar nicht. Es gibt einfach nicht viele Technologien, die Fläche ist zu groß, das Thema der autonomen Systeme, das steht noch am Anfang. Wir haben dann geschaut, wie kann man das datengestützt verbessern, haben an einem Hackathon des Bundesdigitalisierungsministeriums teilgenommen, haben den auch gewonnen mit dem Themenkomplex „ungewöhnlichste Lösung“. Den Preis haben wir abgestaubt. Und haben da halt mit öffentlichen Daten gezeigt, wie man Schiffe tracken kann und so weiter und haben dann die Möglichkeit gehabt, ein Argus Forschungsprojekt….
Also Ist es eigentlich besser, die ungewöhnlichsten Lösungen oder die besten Lösungen zu haben?
Jann Wendt: Also, es hat dazu geführt, dass wir vom Bund ein dreieinhalb Millionen Euro Forschungsprojekt nach Schleswig-Holstein geholt haben. Also, dann nehme ich auch, dass es eine der besten Lösungen ist.
Oder was haben die bekommen? Die mit den besten Lösungen?
Jann Wendt: Ich glaube gar nichts (lacht). Wir haben ja ein bisschen was dafür getan. Also, das ist ein Förderforschungsprojekt, was wir jetzt haben, wo wir gemeinsam mit dem GEOMAR – da können wir tatsächlich sicherlich auch vielleicht noch mal ein bisschen zu sprechen - aber daran arbeiten und auch mit Kollegen aus Rostock tatsächlich, und dort zeigen wir, wie man, ich sag mal, mit extrem moderner Datenverarbeitung, Cloud, AI,um einmal alle buzzwords genannt zu haben, wie man die richtig richtig großen Daten verarbeiten kann und das sind einfach Mengen.
Du sprichst ja gerade Partner an, und einige hast du schon aufgezählt. Wie wichtig sind denn für euch solche Netzwerke?
Jann Wendt: Extrem wichtig. Also, ich glaube, gerade in der maritimen Welt, da kennt jeder jeden. Jetzt sind wir natürlich eine Nische in der Maritimen, das muss man ganz klar sagen. Wir sind nicht so im Schiffbau, wir sind in der Digitalisierung der maritimen Welt. Das ist noch ein neuer Themenkomplex, aber da tut sich natürlich etwas im Partner Ökosystem. Das GEOMAR ist dort sehr, sehr aktiv, hat da auch eine strategische Ausrichtung stärker in diesem Bereich tatsächlich zu investieren, also der ganze Bereich Forschung als solche. Wir haben das Hereon hier in Schleswig-Holstein, wir haben AWE-Ableger (13:20) beispielsweise, die auch hier aktiv sind. Also, das Forschungsökosystem ist für uns von extremer Relevanz, zum einen, um mit denen gemeinsam knowledge zu entwickeln, Wissen zu entwickeln, aber natürlich auch als potenzielle Quelle für Arbeitnehmer. Das heißt, wir haben auch mehrere Kollegen, die vorher an diesen Instituten waren, die dann auch zu uns gekommen sind. Also von daher sind Partner extrem wichtig. Wir hatten das auch gerade schon, digitales Ökosystem ist auch so ein buzzword in unserer Welt. Aber wir hatten vorhin ganz kurz erwähnt, wir wollen in eine Datenökonomie kommen, das heißt, wir wollen Daten nicht nur einmal nutzen, sondern mehrfach nutzen, und wir haben ein weiteres Projekt, das Marispace Projekt. Das haben wir auch ins Leben gerufen. Das ist ein 15 Millionen Euro Projekt, wo wir explizit Kiel und Rostock auch mal zusammengebracht haben.
Das klingt richtig spannend und interessant. Ich denke mal, ihr seid sehr stark in dem Bereich Digitalisierung. Und dann noch der Bereich Maritime Wirtschaft. Ist es denn so, dass dann Menschen, die sich bei euch bewerben, dann sagen, das ist für mich genau der Antrieb. Oder kommen die und sagen, ich will das Thema Digitalisierung, ob das nun an Land oder im Wasser ist eigentlich egal.
Jann Wendt: Ja, das ist ein guter, guter Punkt. Also, wir haben, und das muss man sagen, wir haben halt einen riesengroßen Vorteil. Wir machen sehr neue, interessante Technologien, aber wir haben auch ein bisschen dieses unshady territory mit dem Ozean. Der Ozean ist noch so einer der letzten Abenteuerplätze, weil wir das noch nicht kennen. Das hatten wir vorhin gerade erwähnt, dass wir drei Viertel eigentlich gar nicht kennen. Und diese Kombination aus, ich sag mal, nachhaltigen Impact orientierten Themenkomplexen mit Digitalisierung, mit Ozean, wie gesagt, auch so eine Anziehungskraft ausübt, der macht uns tatsächlich, muss man ganz ehrlich sagen, im Recruiting, und das Anwerben von Personal sehr, sehr einfach. Also wir haben täglich zehn, 15 Bewerbungen, was, glaube ich, eine sehr luxuriöse Position ist gerade und freuen uns natürlich über diesen Zulauf.
Also mal angenommen, wir beide könnten das Handelsblatt von in 20 Jahren hier auf den Tisch kriegen. Und northi.io wäre vorne drauf. Was steht denn über euch drin? Was ist der next step?
Jann Wendt: The next step ist wahrscheinlich, dass wir einen voll digitalisierten Ozean haben, also den digital twin, an dem schon Forschungsebenen gearbeitet haben und arbeiten, aber den komplett digitalen Zwilling unserer Ozeane, mit einem vollkommenen Verständnis in dieser Richtung.
Und das Handelsblatt möchte dann auch unbedingt wissen, wieso ist Jann heute noch in Schleswig-Holstein?
Jann Wendt: Weil Schleswig-Holstein der perfekte Standort für uns ist, muss man ganz klar sagen, Kiel zum einen natürlich als Landeshauptstadt, aber auch als knowledg hub für diesen Themenkomplex Ozean. Mit dem GEOMAR haben wir hier ein unglaublich gigantisches Potenzial, wo wir sicherlich auch noch dran arbeiten können, das weiter zu heben und auch weiter zu kommerzialisieren. Da ist sicherlich noch ein gap zwischen Forschung und Kommerzialisierung dieser Geschichten. Aber ich glaube schon, dass wir hier in Kiel sehr, sehr gute Potenziale haben, um ein maritime silicon valley einmal zu etablieren. Das liegt ja auch an euch, die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dieses maritime silicon valley perspektivisch zu etablieren.
Es klingt so, als braucht ihr wirklich echte Experten. Bildet ihr aus oder wie kommt ihr denn an Leute ran?
Jann Wendt: Ja, also, ich glaube, eine Kombination von einem Informatiker und einem Unter-Wasser- Datenspezialisten, das ist eine extrem komplizierte Kombination. Da müssen wir, glaube ich, und da haben wir halt diese Nische Ozean in Kiel, die wir auch da gut füllen können. Das heißt, man kann diese Themenkomplexe auch in Informatik-Studiengänge implementieren. Arbeitet doch mal mit Ozean-Daten. Warum nicht? Das ist sehr, sehr angewandt, das ist sehr, sehr plastisch. Ich glaube, da haben wir noch viel zu tun.
Vor allem du hast es ja auch beschrieben. Wir haben hier ja auch Institutionen, Forschungseinrichtungen. Da könnte man natürlich sehr gut miteinander zusammenarbeiten und das Wissen, die Daten und Neugier letztendlich zusammenbringen und dann auch transferieren in die Wirtschaft.
Jann Wendt: Wir haben natürlich auch mit solchen Projekten wie Marispace, mit anderen Forschungsprojekten sehr viel Kontakt mit der Forschung. Das heißt, da ist, glaub ich, schon ein ganz guter Austausch da. Ich glaube, wir müssen das noch mehr in die Lehre integrieren, um einfach diese Nische, diese Besonderheit von Kiel auch dort zu platzieren. Wir haben hier eine starke Universität mit Informatik, wir haben das GEOMAR, und da können wir sicherlich noch Synergien finden.
Welchen Einfluss hat denn KI auf eure Arbeit?
Jann Wendt: Ich glaube, künstliche Intelligenz ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, und das gilt natürlich auch für das, was wir machen. Die Datenmengen sind so groß, da kannst du niemanden mehr hinsetzen, der sich das alles tatsächlich tage-, wochenlang anschaut, und das ist ein ganz konkretes Beispiel, wenn du Steine identifizieren musst auf dem Meeresboden. Natürlich kannst du da jetzt mehrere Studenten mehrere Wochen lang hinsetzen und die Datensätze durchgucken lassen, oder du lässt das durch eine KI laufen, und die gibt dir innerhalb von ein paar Minuten alle Steine, alle potenziellen Steine raus, die du da detektieren musst.
Kann denn die KI schon erkennen, ob das ein Stein ist oder vielleicht Munition?
Jann Wendt: Sehr gute Frage. Nicht unbedingt, die kann dir eine Wahrscheinlichkeit geben, die dir sagt, mit der Wahrscheinlichkeit ist das es ein Stein, und mit der Wahrscheinlichkeit ist das ein Munitionskörper. Da spielt natürlich dann die Form eine Rolle. Da spielt das Signal, das du bekommst von diesem Körper eine Rolle, aber du wirst nie eine Aussage bekommen, dass ist das oder das, eine KI gibt dir immer Wahrscheinlichkeiten.
Wenn ich es richtig verstanden habe, gibt es ja schon grobe Karten darüber, wo Munition liegt, aber das ist die Verklappte. Es gibt ja auch sehr viel Einzelmunition. Könnt ihr sowas dann auch quasi mit Sonden erkennen, oder wie geht das?
Jann Wendt: Ja, also, es gibt zwei große Probleme mit dem Munition-Themenkomplex. Das ist zum einen, was du gerade sagst, die verklappte Munition, wo wir Munitionshaufen haben. Wir haben aber auch den anderen großen Themenkomplex der Munition, die einfach verteilt ist, die im Weg liegt. Wenn wir Infrastruktur bauen, wenn wir Windparks bauen, dann muss diese Munition weg. Das heißt, wir können das Kabel ja nicht einfach drüberlegen oder dran legen. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wo KI auch positive Auswirkung haben kann. Das ist heute so, wenn du die Daten dafür aufnimmst, dann hast du eine Liste an potenziellen Munitionskörper, du holst die raus, und du kannst dir a vorstellen, wenn du aus 20 Meter Tiefe in der Nordsee einen Gegenstand birgt, was das für Kosten tatsächlich auch verursacht, und in 92, 93 Prozent der Fälle ist das Schrott. Und dann kannst du dir vorstellen, wenn du den Autoreifen birgst, und du hast da eine Crew und ein Schiff, und dann ist das irgendwie ein Schrottgegenstand, den man fälschlicherweise identifiziert hat. Das sind alles Kosten, die sich sicherlich auch im Endeffekt auf der Stromrechnung des Steuerzahlers wiederfinden. Aber genau für solche Fälle ist die KI von höchster Relevanz, wenn man da diese Prozente rausholen kann, Kosten drücken kann.
Wir hier in Schleswig haben ja da ziemlich viel Expertise in der Bergung von Munition. Viele große Projekte. Wie, glaubst du, stehen wir da im Wettbewerb da? Weil bisher diskutieren wir das ja eher national, aber es ist ja ein internationales Thema. Wenn es uns gelingt, zum einen natürlich mit der digitalen, aber auch mit dem ganzen drum herum, da die Expertise, also first mover zu werden, wie schätzt du da unsere Chancen ein im Weltmarkt?
Jann Wendt: Also, das ist ein ganz, ganz spannendes Thema. Wir haben in Schleswig-Holstein, und ich bin jetzt seit knapp 15 Jahren in diesem Munition-Meer-Themenkomplex involviert, haben wir ein unglaubliches Know-how aufgebaut. Wir haben in Schleswig-Holstein die notwendigen Player, wir haben Technologie-Unternehmen wie uns, wir haben Hardware-Hersteller wie Thyssen Krupp beispielsweise, die schon seit Jahren im Themenkomplex involviert sind. Wir haben das Verständnis der Politik für die Komplexität und für die Notwendigkeit der Räumung von Munition und da spielt, glaube ich, sehr, sehr viel zusammen….
….und wir haben Testfelder, also wir sind ja auch schon, denke ich, voll dabei..
Jann Wendt: Genau wir haben es jetzt im Prinzip in dieser Community, in dieser Kiel-Community, würde ich sie mal nennen, diese Community hat einen sehr großen Anteil gehabt, dass wir das gemeinsam in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung haben bringen können, dass die ersten 100 Millionen eingesetzt werden, um testweise sich die Räumung anzuschauen, um zu gucken, wie skaliert man das Ganze? Jetzt muss man sagen, 100 Millionen ist in dem Fall ein Tropfen auf den heißen Stein, das wissen wir alle. Aber es ist der Beginn dieses ganzen Themenkomplexes. So jetzt ist aber auch so, und ich glaube, das ist auch dann das Thema für die Wirtschaft. Es ist es nett, wenn das Ganze beforscht wird und Grundlagenforschung betrieben wird. Aber als Wirtschaft brauchen wir ein business case. Das ist ganz klar so, und dieser business case, der kann halt nur durch den Staat hier in diesem Fall generiert werden für die großflächige Räumung. Da müssen wir jetzt eine Einigung zwischen Bund und Länder erzielen, wie die langfristige Finanzierung aussehen soll, und dann müssen wir das ganze Know-how, das wir in Schleswig-Holstein haben, nutzen, um da wirklich kommerziell auch in einen internationalen Markt später einzusteigen zu können und den gibt’s.
Ganz interessant, dass du das so ansprichst, weil ich als Minister habe tatsächlich auch schon mal gesagt, ich glaube, diese Forschung als Grundlage ist super. Aber wir müssen jetzt eigentlich ein Preisschild an eine Tonne ranhängen, und dann wird schon Wirtschaft, Technologie, Wissenschaft, alle zusammen feststellen, okay, für den Preis können wir das heben, setzen wir jetzt um. Das ist, glaube ich, so ein bisschen der Weg, den wir jetzt gehen müssen. Wir müssen einfach festlegen, was ist das, wenn es verklappt ist auf einem großen Haufen oder was ist, wenn es lose liegt? Aber wir müssen nicht nur Länder und Bund zusammenbringen, sondern wirklich auch eine ganze Region rund um die Ostsee weltweit. Also hier haben wir viel Arbeit, viel politische Arbeit zuleisten. Wäre aber schön, wenn wir Kieler da ganz vorne mit dabei wären. Lieber Jann, es war ein wahnsinnig interessanter Einblick. Ich danke dir. Ich hoffe, der ein oder andere hat einen Eindruck davon bekommen, was unterhalb der Wasseroberfläche passiert und wieso der Weg von mehreren 1000 Bilder aus der Luft Menschen dazu bringen kann zu sagen, das können wir smarter lösen und diese Lösungen auf ganz unterschiedlichen Ebenen einsetzt. Ich freue mich auf die Handelsblatt Ausgabe in 20 Jahren und mal gucken, ob wir beide drin sind. Vielen Dank.
Jann Wendt: Ich mich auch, vielen Dank.