"Die Attraktivität des Landes zieht öfter Menschen hier hoch, als man denkt."

Bernd Buchholz im Gespräch mit Friedhelm Klingenburg.

Friedhelm Klingenburg ist Geschäftsführer von Merz Dental, einem Spezialunternehmen für prothetischen Zahnersatz aus Lütjenburg. Mit Wirtschaftsminister Bernd Buchholz spricht er über Digitalisierung in der Zahntechnik, deutsch-japanische Zusammenarbeit und Schleswig-Holsteins schönste Ecken.

 

 

 


 

 

Bernd Buchholz:  Moin aus Kiel und herzlich Willkommen zu einer neuen Folge meines Podcasts „Echte Chancen“. Mein Name ist Bernd Buchholz, ich bin Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein und treffe mich in diesem Podcast mit Menschen, die einen anderen Blick auf Schleswig-Holstein werfen und andere Menschen einen anderen Blick auf Schleswig-Holstein werfen lassen. Weil sie Dinge tun, die man vielleicht so nicht unbedingt mit Schleswig-Holstein sofort assoziiert und sofort daran denkt, wenn man an Deiche, an tolle Landschaften und an Schleswig-Holstein denkt, sondern den anderen Blick darauf gewähren und ein Land skizzieren, das in weiten Teilen auch ganz moderne, innovative, dynamische, auch Wirtschaftsbereiche hat, bei denen man von den Socken ist, wo sie eigentlich so stattfinden. Mein heutiger Gast beschäftigt sich mit Zähnen. Allein das ist für Schleswig-Holstein schon irgendwie was Besonderes. Und jetzt muss man noch dazusagen: Die Firma meines Gastes sitzt in Lütjenburg. Lütjenburg, Kreis Plön. Schon da weiß nicht jeder, wo es ist. Darüber sprechen wir gleich mit Friedhelm Klingenburg, Geschäftsführer von Merz Dental in Lütjenburg. Hallo, Herr Klingenburg.

Friedhelm Klingenburg: Hallo Herr Buchholz, schön, dass ich da sein darf.

Schön, dass Sie da sind. Wir beide kennen uns, weil ich Ihre Firma mal besucht habe und weil ich das so spannend finde, dass man es Menschen näherbringen muss, die hier jetzt an so einem Podcast teilnehmen. Denn, Herr Klingenburg, Merz Dental macht was eigentlich?

Merz Dental ist ein Unternehmen, das Verbrauchsmaterialien für den Zahnarzt und den Zahntechniker herstellt, entwickelt und vermarktet.

Material herstellt? Klingt jetzt so, als würden sie nur bestimmte Materialien herstellen, aber das Zähne herstellen spielt bei Ihnen auch eine große Rolle.

Absolut. Ich mein ich sage immer, wir begleiten einen Zahn sein Leben lang und darüber hinaus. Das heißt, wir haben Produkte, die bereits bei der Zahnung von den ersten Kindern, von den ersten Zähnen bei den Kindern genutzt werden können. Dann über Füllungsmaterial, dann Abformmaterialien, bis der Zahn irgendwann nach einer Karies vielleicht einmal herausfällt. Und dann sind wir bei den künstlichen Zähnen. Und diese werden in Lütjenburg hergestellt. Das ist eigentlich unser Kerngeschäft, das wir in der Summe seit über 80 Jahren bereits machen.

Jetzt haben Sie eine kleine Schleife gedreht, um dahin zu kommen, wo eigentlich der Knalleffekt da drin sitzt: Denn in Lütjenburg, Kreis Plön werden künstliche Zähne produziert. Das ist ja eigentlich ein Industriefertigungsthema. Und das mitten in einer landschaftlich wunderschönen Region. Wir müssen sagen, wo das liegt. Das liegt so zwischen Kiel und Oldenburg in Holstein in der Mitte, etwas südlich von Hohwacht, gar nicht weit weg von der Ostsee. Lütjenburg kennt man eigentlich, die Gourmets, die jetzt zuhören, kennen gut Panker und den Hessenstein, alles ganz in der Nähe von Lütjenburg. 15, 20 Kilometer nördlich von Plön, damit man mal irgendwo so einen Eindruck hat. Man könnte auch sagen, mitten in der Walachei, Herr Klingenburg. Und da eine Firma, die Zähne herstellt - und nicht wenig. Wieviel produzieren Sie so im Jahr?

Wir stellen zwischen fünf bis acht Millionen Zähne im Jahr her und damit sind wir in Deutschland einer der führenden Hersteller.

Jetzt müssen wir bitte nochmal Obacht geben und jetzt müssen Sie, Herr Klingenburg, dazu erklären: Damit einer der größten Zahnimplantat-Hersteller der Bundesrepublik und vor allem der Einzige, der das ganz und gar in Deutschland macht. Wie kommt es, dass so eine Firma in Lütjenburg, Kreis Plön, angesiedelt ist?

Eine sehr berechtigte Frage, denn Sie haben das ja schon ausgeführt, wo Lütjenburg ist. Besser kann man es nicht machen, ein wunderschöner Ort. Entstanden ist das ganze Merz Dental, so wie es heute ist, aus zwei Unternehmen: Zum einen aus dem Bereich Merz Pharma, die 1923 bereits in Frankfurt angefangen haben, Emulsionen herzustellen für die Zahnmedizin. Und 1952 hat ein Eberhart Werchan die Zahnfabrik Werchan in Lütjenburg errichtet. Und als Herr Werchan dann beschlossen hat: Ich brauche eine Nachfolgeregelung, hat die Firma Merz, Merz Pharma seinerzeit, gesagt: Das ist gut, das ist spannend, das werden wir gerne weiterführen und hat dann den gesamten Bereich Zahnmedizin und Dental aus Frankfurt nach Lütjenburg verlegt. Und so haben wir Lütjenburg weiter ausgebaut und da sind wir heute noch.

Jetzt müssen wir nochmal darüber reden. Man kommt auf die Idee aus Frankfurt, wo eine große Pharmafirma, eine große auch Medizintechnikfirma sitzt, zu sagen: Nee, den Bereich lagern wir aus nach Lütjenburg, Kreis Plön. An die Peripherie der Republik, wenn man in Wahrheit das mal sagt, mitten aufs flache Land hin. Das tut man ja nur, weil man dafür gute Gründe hat. Was waren die Gründe für Merz damals zu sagen: Das holen wir nicht alles nach Frankfurt, sondern das machen wir in Lütjenburg?

Auch das: richtige Frage. In Lütjenburg gab es bereits eine Produktionsstätte. In Lütjenburg war bereits Forschung und Entwicklung für künstliche Zähne und für Zahnmaterial. Und daher lag nichts näher als zu sagen dort, wo die Kompetenz ist für das Kerngeschäft, das man ausbauen möchte, da werden wir hingehen.

Und das ist ja nun so, dass man sich sagt: Menschenskinder, da braucht man für die Produktion dieser Zähne Menschen, die das auch können. In Lütjenburg findet man alles mögliche, wahrscheinlich Landwirte, wahrscheinlich Touristiker und solche, die da in Unternehmen sind, Gastronomen auch. Aber Menschen, die Zähne produzieren können, dass man die in Lütjenburg, Kreis Plön findet, ist jetzt nicht so wahrscheinlich.

Absolut, das ist richtig. Normalerweise findet man diese Menschen entweder in Süddeutschland oder in China, Indonesien, Philippinen, sonst wo. Aber ausgerechnet in Lütjenburg bin ich bei Ihnen. Überraschend zumindest für mich auch. Ich kam aus Frankfurt und als ich hier hoch kam, war ich überrascht, was ich hier vorgefunden habe: Menschen, die mit einer hohen Leidenschaft das tun, wofür sie jeden Tag zur Firma kommen. Menschen, die aber auch eine Qualifikation haben im Bereich Forschung/Entwicklung. Und die kommt durch Kooperation, kommt auch durch Kooperationen mit den Universitäten, die wir hier im Land haben. Vorne an die Universität hier in Kiel mit dem Fachbereich Materialwissenschaften, mit dem wir sehr eng zusammenarbeiten. Aber es gibt auch noch ein zweites Argument und das hat mich in meiner Familie sehr bewegt: die Attraktivität des Landes. Und auch das zieht öfter doch als man denkt Menschen hier hoch.

Und jetzt wenn wir über die Produktion von Zahnimplantaten reden, dann könnte man ja denken: Naja, gut, also es ist ein großer zahnmedizinischer Betrieb, der irgendwie wahrscheinlich so mit schleifen und feilen und drehen und sonst was und sehr viel handwerklichen Tätigkeiten zu tun hat. In Wahrheit, Herr Klingenburg, ist das ein hoch digitalisierter Betrieb, den Sie als Geschäftsführer führen.

Mittlerweile sind wir das, in der Tat. Und wir werden das auch weiter fortführen. Wir haben eine heute bereits State-of-the-Art-Produktionsanlage für künstliche Zähne. Wir haben aber auch uns weiterentwickelt im Bereich der Materialien, sodass wir heute nicht nur Zähne haben, sondern auch weitere Materialien im Bereich der Kunststoffe, die man früher sich gar nicht hätte vorstellen können, dass man die jemals für die Zahnmedizin haben wird.

Was sind das für Stoffe?

Die Stoffe? Die Stoffe sind Polymere, sind Methylmethacrylate, die wir nutzen, die wir aber mittlerweile so hervorragend entwickeln konnten, dass sie eine Abrasion haben, dass sie schon fast annähernd an die Abrasion eines natürlichen Zahnes kommen.

Abrasion müssen Sie erklären den Begriff.

Also stellen Sie sich vor, Sie haben als … ich mache das gerne am Beispiel eines Hundes. Ein junger Hund, wenn der mal Ihnen in den Finger beißt, da ist das ganz spitz. Wenn er alt ist, ist es sehr flach und genauso ist es beim Menschen. Der Mensch hat zunächst sehr spitze Zähne und die werden dann abradiert durch das Essen, durch das Kauen. Wenn Sie eine Karotte roh kauen, dann hauen Sie mit unheimlicher Kraft da drauf und wenn Sie das eben jahrelang machen, haben Sie irgendwann den Zahnschmelz etwas eben abradiert. Und das gleiche passiert natürlich auch mit Ersatzmaterialien, mit künstlichen Zähnen, die wir haben und die haben wir über die letzten Jahrzehnte immer wieder weiterentwickelt. Früher war so ein Kunststoffmaterial ganz schnell abradiert. Das war wie ein Radiergummi, einmal drüber gekaut und zack war es wieder flach. Und heute sind das Materialien, die 15, 20 Jahre lang ihre Funktion aufrecht erhalten. Und das ist glaube ich eine gute Leistung.

Das heißt, eine ständige Weiterentwicklung bei diesen Zahnimplantaten dahin zu bekommen, dass man dem menschlichen Zahn immer näher kommt und das ist eine permanente Weiterentwicklung seit 20 Jahren in Forschung und Entwicklung. Nicht etwa eine Firma, die sagt: Wir machen das auf bestimmte tradierte Art und Weise seit 20 Jahren, wir arbeiten in Keramik oder sonst irgendetwas, was man sonst so kennt, sondern im ständigen Forschen und Weiterentwickeln. Wie komme ich dem menschlichen Zahn noch näher? Wie schaffe ich das Implantat? Wie mache ich es noch perfekter?

Korrekt, korrekt. Als ich vor 15 Jahren hier hochkam, hab ich mir die Produktion angeschaut und dachte: Mensch, da kann man ja gar nichts mehr verändern. Heute kann ich sagen: jeden Tag können Sie wieder etwas verändern. Sie können nicht nur die Fissuren, nicht nur die Kontaktpunkte, die Sie heute haben, wenn Sie zubeißen, merken Sie, Sie haben gewisse Reliefs in den Zähnen drin. Die braucht man, damit die Speisen ablaufen können. Sie brauchen die Höcker, um es zu zermahlen. Sie brauchen die Zähne für so viele Dinge und es gibt immer wieder neue Fragestellungen, mit denen wir uns beschäftigen. Und das ist eine tolle Herausforderung.

Das funktioniert seit 20 Jahren und seit 20 Jahren so, dass die Firma auch spannend war für einen japanischen Investor, der gesagt hat: Mensch, das ist toll. Was die da machen, können wir so nicht. Sie sind übernommen worden durch ein japanisches, durch eine japanische Firma.

Korrekt. Wir sind 2015 von einer japanischen Firma SHOFU übernommen worden. SHOFU ist einer der führenden Dentalunternehmen und Hersteller von künstlichen Zähnen in Japan. Und in Asien sehr, sehr stark gewesen, hatte aber noch keine starke Präsenz in Europa, und schon gar nicht mit künstlichen Zähnen, und hat dann sich einige Unternehmen angeschaut und hat Merz Dental kennengelernt und hat genau aus dem Grund, den Sie schon angesprochen haben, Herr Minister, nämlich die Qualität der Mitarbeiter und die Forschungsintensität, die wir haben, haben sie gesagt: Das finden wir spannend. Wir haben sehr viele Innovationen. Wir melden auch immer wieder Patente an für Themen, für Technologien. Und genau das war der Grund, weshalb man dann gesagt hat: diese Firma wollen wir gerne mit in den Verbund der Gruppe aufnehmen.

Und das muss man sagen, da hat man natürlich, wenn eine japanische Firma eine deutsche Firma übernimmt, dann hat man Sorge zunächst mal. Dass die japanischen Eigentümer sagen könnten: die wissen was, die können was, da ist Know How, dieses Know How nehmen wir, transferieren es nach Japan und sorgen in Japan dafür, dass das Geschäft auf der Basis dieses Know Hows weitergeht und in Deutschland bleibt nichts übrig. Das Gegenteil ist passiert. Die japanischen Eigentümer investieren in Lütjenburg, weil sie sagen: da ist das Know How so viel besser als bei uns. Und ich habe ja mit einem Ihrer Eigentümer auch vor zwei Jahren gesprochen, die sagen, das ist so viel besser da bei euch in Schleswig-Holstein, das können wir bei uns gar nicht schaffen. Da investieren wir lieber bei euch und profitieren davon, dass dieser Erkenntniszuwachs in der eigenen Firma in Deutschland stattfindet.

Ist so, definitiv. Ich glaube, einer der Gründe ist auch, wenn man die japanische Kultur kennt - und ich kenne diese jetzt seit bald 25 Jahren. Man hat festgestellt, dass wir eine enorme Flexibilität haben und ich glaube, das macht den deutschen Mittelstand auch aus. Wir erfüllen alle Anforderungen, aber trotzdem wir denken schnell, wir handeln schnell, wenn wir die richtigen Leute haben, können wir auch schneller sein. Wir haben eine durchschnittliche Entwicklungszeit von zwei, vielleicht drei Jahren. In Japan sind das schnell fünf, sechs Jahre. Und das ist, glaube ich, ein erheblicher Wettbewerbsvorteil, den wir hier haben.

Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Sie jetzt in Lütjenburg?

In Lütjenburg selber sind es etwa 150 bis 160 Mitarbeiter. Darüber hinaus haben wir noch den Außendienst und Vertriebspartner, sodass wir in der Summe auf weit über 220 Mitarbeiter zählen können.

Herr Klingenburg, wer neun Millionen Zähne jedes Jahr produziert, der produziert die ja nicht allein für den Kreis Plön und die Umgebung. Sie produzieren Zahnimplantate für welche Märkte?

Es ist wieder mal wie immer, ich fange damit an: Schleswig-Holstein ist unser schlechtester Markt.

(lacht) Liegt vielleicht daran, dass wir in Schleswig-Holstein die besten Zähne haben.

Ja, das wäre schön. (lacht)

Wäre schön, ja nee, wäre schön.

Nein, aber Spaß beiseite. Allein in Deutschland haben wir 54.000 Zahnärzte. Wir haben über siebeneinhalbtausend Labore. Das ist natürlich unser Kernmarkt, keine Frage. Aber wir vertreiben unsere Produkte in weit über 40 Märkte in der Welt. Wir sind sehr, sehr stark in Europa, in Italien. Wir sind in Holland, wir sind in Österreich, wir sind in Spanien. Wir sind aber auch in Australien und Sie finden unsere Zähne auch in Südamerika sowie in Nordamerika, USA und in Kanada.

In Australien und in Südamerika. Weil dort ein Zahnarzt sitzt, der sagt: Ich brauche jetzt ein Zahnimplantat für dieses und jenes. Wie kommt er auf die Idee, bei Merz in Lütjenburg einen Zahn zu bestellen?

Weil wir mit die besten Zähne der Welt haben. Und wenn Sie mich fragen: Ästhetisch betrachtet die schönsten Zähne der Welt. Das ist der Stolz, mit dem ich auch gerne darüber rede und wir haben nun mal Zähne, die wirklich, wir sprachen eingangs schon mal darüber, mit am nächsten dem natürlichen Zahn kommen. Und wir haben dieses Abbild eines natürlichen Zahnes in Mitte der 90er Jahre geschafft zu kopieren und seitdem ist dieser Markt der absolute High-End-Zahn in der Welt, würde ich fast behaupten. Und unsere Zähne finden Sie tatsächlich bei sehr honorigen Menschen auch in der Welt, wo ich jetzt Stillschweigen bewahren muss, aber …

(lacht) Das dürfen Sie jetzt nicht sagen, in welchen Mündern sich Ihre Zähne befinden. Wäre vielleicht auch interessant, aber das wollen wir jetzt nicht ausplaudern.

Nein, nein, absolut nicht.

Sind denn Ihre Produkte im Weltmarktvergleich besonders hochpreisig oder sind sie so eher in der Standardregion mit unterwegs?

Ich sag mal, jedes Produkt hat seinen Preis und die Qualität spricht am Ende dafür. Wir sind sicherlich eher im hochpreisigeren Segment tätig und auch angesiedelt, aber das liegt nun mal auch an den Materialien, die wir verwenden. Sie können heute auch einen günstigen Zahn haben, bei dem Materialien dann aus anderen Ländern kommen. Nur, dass diese Materialien leider nicht so lange halten, wie unsere Materialen. Und teilweise sind die, sind die Kosten für unsere Materialien, die Rohstoffe, die wir einsetzen, teurer als die Zähne, die Sie in Ländern wie zum Beispiel in China kaufen können.

Das muss man sich auch nochmal auf der Zunge zergehen lassen, weil man, jetzt kennt man Sie in Südamerika, man kennt Sie vielleicht in Australien und sagt sich jetzt: Menschenskinder, ja, die machen tatsächlich die besten, die ästhetischsten, die qualitativ hochwertigsten Zähne. Also, für meinen Patienten hier will ich jetzt tatsächlich auch, dass die Zähne dort gefertigt werden. Normalerweise sagt man dann von Australien her: Hm, also es ist ein bisschen schwierig, nicht? Da macht man so einen Abdruck, so klassischerweise, das kennt man ja so, der Zahnarzt macht einem diese furchtbare Masse da in den Mund und dann gibt's davon einen Abdruck und dann soll irgendwo auf der anderen Seite der Welt ein Zahn gefertigt werden, der dann wieder zurückkommt. Das dauert erstmal lange, ist wahrscheinlich logistisch teuer, den hin und her zu transportieren. Ein Wahnsinn. Warum das denn, würde man sagen. Wie kommt es dazu, dass man trotzdem aus Australien bei Ihnen bestellt?

Also wir haben fertige, natürlich vorkonfektionierte Zähne hier. Und diese Zähne werden dann nach Australien, als Beispiel, vermarktet. Dort gibt es Händler, die verkaufen diese Zähne und diese Händler haben entschieden: Diese Zähne sind so außergewöhnlich, dass wir diese Zähne aufnehmen und nicht irgendwelche anderen günstigen oder billigen oder schlechten oder weniger ästhetischen Zähne …

Moment, Moment. Das heißt, das sind standardisierte Zähne, die so exportiert werden und die dann individuell vor Ort aufbereitet und aufgearbeitet werden.

Ja, so kann man es sagen, ja. Es sind Zähne, die bereits die Morphologie, wie wir das sagen, haben. Sprich, die Struktur, die Sie, wenn Sie mit der Zunge über den Seitenzahn gehen, wenn Sie das fühlen, das ist diese Morphologie. Und die ist sehr besonders. Und das haben wir bereits vorgefertigt in verschiedenen Größen, in verschiedenen Formen, in verschiedenen Farben. Wir sprechen in der Zahnmedizin zum Beispiel von 20 Farben. Wir haben vier, fünf Kategorien und da finden Sie etwa 99 Prozent aller Farben, die die Menschen auf der Welt haben bei den Zähnen, bei der Brillanz, bei der Ästhetik, über die wir eben sprachen. Dann haben wir verschiedene Größen. Auch diese finden Sie immer wieder in den verschiedenen Ländern. Und so haben wir ein Sortiment, das in der Summe über 65.000 unterschiedliche Zähne beinhaltet. Und deshalb sind wir eher nicht Massenproduktion, da haben Sie vollkommen recht, sondern wir sind eher eine kleine Manufaktur oder eine große Manufaktur.

Eine große Manufaktur schon. Nun ist es aber auch so: klar, vorgefertigte Produkte, die exportiert werden, das habe ich verstanden und damals auch gesehen. Ich habe aber auch etwas anderes gesehen. Das heißt, Sie arbeiten teilweise auch im Bereich 3D-Druck mit neuen Techniken, mit additiver Fertigung. Und – und das hat mich dann völlig fasziniert – mit Digitalisierung, mit Übertragung von, ich sag mal gescannten Zähnen, die ein Zahnarzt, notfalls auch in Japan, mit einer Laserbürste quasi abnimmt und bei Ihnen auf dem Server werden die entsprechenden Daten plötzlich umgewandelt und Sie können dann unmittelbar den Zahn produzieren. Das ist ja Hightech ohne Ende. Ist das wirklich auch schon Stand bei Ihnen, dass Sie so auch wirklich produzieren oder war das eine Vorführaktion für mich?

Nein, nein, nein, das ist tatsächlich schon so, dass das heute gemacht werden kann. Und die Zeiten, in denen man, wie bei George Washington einfach ein paar Holzzähne miteinander verbunden hat, damit man gut aussehen kann und reden kann, die sind lange vorbei. Heute ist es wichtig, eigentlich den sogenannten Prozess, den Workflow vom: der Patient kommt zum Zahnarzt, der Zahnarzt macht heute sehr, sehr häufig immer noch Silikonabformungen. Wir kennen das alle, kriegt man unheimlich viel Masse in den Mund, man hat Sorge und hofft, dass noch alle Zähne drin sind. Manchmal kommt auch ein Zahn mit raus, das ist immer schlecht für die Helferin, da kriegt sie ja große Sorgen. Aber hier geht es darum, diesen Prozess weiter zu optimieren. Und das ist genau der Punkt, wo wir gesagt haben: Was gibt es? Diese digitalen Themen, die Sie angesprochen haben und da fangen wir vorne an beim Behandler, der mit sogenannten Intraoral-Scannern arbeitet, mit dem er über die Zähne hinweggeht und dann mit diesen Zähnen oder mit diesen Bildern, die nimmt er und schickt sie in ein Labor. Dieses Labor kann stehen wo es will auf der Welt. Das kann, wenn es ein Zahnarzt in Japan ist, der kann die nach Japan ins Labor schicken kann, sie aber auch zu uns schicken oder kann sie sonst irgendwo hinschicken, das spielt keine Rolle mehr, solange dort ein Experte ist, ein Techniker, der das verarbeiten kann. Der kann entweder mit vorkonfektionierten Zähnen arbeiten oder er kann auch hier weiter im digitalen Prozess bleiben. Das ist das, was Sie gesehen haben. Entweder kann er die Materialien fräsen, er kann zum Beispiel Prothesen fräsen heute oder er kann sie sogar drucken. Auch das ist etwas, wo wir jetzt kurz vor Markteintritt sind mit den nächsten Materialien. Und wir haben ja auch, und das ist das, was Sie gesehen haben, wir haben eine, glaube ich wirklich, eine enorme Innovation geschaffen, als wir es geschafft haben, einen Prozess so zu vereinfachen, dass Menschen, die heute zahnlos sind, dass die in kürzester Zeit mit wenig Aufwand eine neue Prothese bekommen können oder eine Prothese überhaupt bekommen können, die so gut ist, dass man als Außenstehender überhaupt nicht sehen kann, erkennen kann, ob das die echten sind oder künstliche.

Toll, dass es sowas in diesem Lande gibt. Sie sind seit 15 Jahren jetzt in Schleswig-Holstein. Sind Sie gern hier oben, das müssen Sie jetzt natürlich sagen, weil sonst wären Sie ja nicht hier, nicht nur wegen der Firma. Was macht Schleswig-Holstein so liebens- und lebenswert?

Also ich glaube, in einem Punkt sind wir uns sowieso einig: was die Landschaft angeht und diese Attraktivität mit dem Wasser, dem Meer, dem Strand - es gibt nichts Schöneres hier in ganz Deutschland. Und da muss ich sagen, ich habe alles erlebt. Ich habe, bin in Wuppertal geboren. Eine Stadt, die man nur durch die Schwebebahn kennt. Bin dann nach Bayern gesiedelt mit drei Jahren. Dann habe ich in Mannheim und Heidelberg die Schule und die Universität verbracht, bin nach Köln gekommen, dann nach Frankfurt. Und es gab viele Stationen, wo ich hätte hingehen können. Als wir hochkamen, dachten wir: Ja, ein bisschen frisch hier, ja, man muss auch immer einen Schal tragen, aber es ist unglaublich, was diese Natur ausstrahlt, was die Menschen ausstrahlen. Das ist immer diese menschliche Komponente und man hat mir immer eingebläut, hier oben ist man ein sturer Bock. Im Gegenteil. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: in Schleswig-Holstein sind die Menschen so offen und so herzlich, was man selbst selten erleben kann.

Ein ganz tolles Plädoyer für den Standort Schleswig-Holstein der besonderen Art und Weise. Das Merz Dental natürlich darauf angewiesen ist, digitale Daten so schnell wie möglich zu übertragen und am Breitband, das ist eine Trivialität, die ist zwingend für Sie. Und das auch mitten im ländlichen Bereich Schleswig-Holsteins, in Lütjenburg, einer der zentralen Voraussetzungen. Aber auch das ist gewährleistet und ist etwas, was wir ja in Schleswig-Holstein ziemlich vorangetrieben haben. Der digitale Infrastrukturausbau ist ziemlich weit hier oben. Das ist eine Grundvoraussetzung für Ihre Tätigkeit.

Absolut. Und da bin ich auch sehr dankbar, dass wir das in Lütjenburg haben. Insbesondere dort, wo wir diese Daten verarbeiten müssen. Persönlich wohne ich in Molfsee, da würde ich mir das dann auch noch wünschen, diese Geschwindigkeit zu haben.

Wir arbeiten dran, Herr Klingenburg, wir arbeiten dran. Zurzeit sind es etwas über 50 Prozent aller Haushalte, die wir ans Glasfaser anschließen können. Wir wollen 2025 flächendeckend soweit sein und damit wären wir ganz weit vorne in ganz Deutschland. Denn der Durchschnitt der Glasfaseranschlussfähigkeit liegt eher so bei elf Prozent, zwölf Prozent im Bundesdurchschnitt. Mit den über 50 Prozent in Schleswig-Holstein sind wir relativ weit vorne. Bei mir ist Friedhelm Klingenburg. Ein Geschäftsführer einer ganz tollen Firma in Lütjenburg, Kreis Plön. Ich benutze diese Firma bei ganz vielen meiner Vorträge als Zeichen dafür, dass man mit hochmoderner, innovativer Technologie auch in einem Flächenkreis wie Plön einen Standort haben kann, der Weltgeltung hat mit dem was man tut. Schön, dass Sie dabei waren. Schön, dass Sie Ihren Blick auf Schleswig-Holstein mal mitgebracht haben und dass wir viel über Ihre Firma und das, was Sie tun, lernen durften. Zum Schluss dieses Formats ist es üblich, dass ich drei schnelle Fragen stelle und um schnelle Antworten bitte. Die erste Frage heißt: Die besten Ideen habe ich...

 … beim Laufen oder morgens, wenn ich in die Firma fahre.

Mein liebster Ort in Schleswig-Holstein ist…

… ist der Strand. Zwischen Laboe und Fehmarn und am liebsten in Mitte Heidkate, wo man wunderbar mit den Hunden spazieren kann.

Das muss man jetzt auch besonders genießen, denn das ist ein besonderer Strand. Der ist nicht so einfach so, sondern da zieht sich an dieser Seite der Ostsee ein hochinteressanter, naturbelassener, langer Strand hin, der einfach wirklich toll ist. Das muss man einfach wirklich sagen, wo man ganz, ganz viele Kilometer hat. Übrigens etwas, was wir allen empfehlen, die in dieser Pandemie wieder nach Schleswig-Holstein kommen wollen: Es gibt nicht nur die vier, fünf Hotspots, an denen man an den Strand gehen kann, sondern wir haben kilometerlang Strand, bei denen man auch im Hochsommer an heißen Tagen nicht unbedingt viele Menschen treffen muss. Wir könnten, Herr Klingenburg und ich, viele Stellen sagen, wo es sich lohnt, hinzufahren, statt überlaufene Plätze anzusteuern. Am meisten inspiriert hat mich…

… Am meisten inspiriert und inspirieren tun mich gute Gespräche, Gespräche mit Menschen, die offen sind, die offen für neue Wege sind und die mir damit Impulse geben, um mein Leben zu bereichern.

Das, finde ich, ist ein wunderbarer Abschluss in einem Podcast, in dem man miteinander spricht…

Korrekt.

… Und in dem es auch darauf ankommt, sich wechselseitig zuzuhören und dadurch Neues zu erfahren. Ich glaub, wir haben von Friedhelm Klingenburg, dem Geschäftsführer von Merz Dental in Lütjenburg, ganz viel gelernt heute, kennengelernt über einen Teil von Schleswig-Holstein, den man nicht unbedingt vorher kannte. Herzlichen Dank, dass Sie dabei waren und Ihnen allen, die Sie zugehört haben: Viel Spaß beim nächsten Mal, wenn ich wieder einen Gast begrüßen darf, der Schleswig-Holstein aus einem anderen Blickwinkel betrachtet und der vielleicht einen anderen Blickwinkel auf Schleswig-Holstein gewährt, als man ihnen bisher hat. Schön, dass Sie da waren, herzlichen Dank.

Vielen Dank, dass ich da sein durfte.